Alm 2011: mein spannendster Fund

  • Liebe Naturfreunde,
    heute möchte ich euch meinen spannendsten Fund aus unserem Österreich-Urlaub vorstellen. Klein aber oho. Es ist ein Wickler von ganz besonderer Schönheit - und er ist extrem selten, was ich noch darstellen werde.

    Wickler Phiaris metallicana, HÜBNER, 1799

    Kurzsteckbrief
    Familie Wickler: Tortricidae
    Größe: Flügelspannweite 17 - 22 mm
    Raupenfutterpflanzen: Blaubeere Vaccinium myrtillus, Rauschbeere Vaccinium uliginosum, Preiselbeere Vaccinium vitis-idaea
    Die Raupen leben an eingesponnenen Blättern
    Raupenzeit: Mai - Juni
    Flugzeit: Juni - Juli

    Eines meiner Haupt-"Exkursionsgebiete" am Berg ist die von uns sog. "Kochwiese", ein Nachbargrundstück, das von seinen neuen Eigentümern häufiger genutzt wird als in früheren Jahren. Aufgrund der relativ steilen Hanglage und einer Dauerfeuchtstelle bleiben einige Teile stets ungemäht.

    Auf vergleichsweise kleinem Gebiet finden wir die unterschiedlichsten Lebensräume eng beieinander, alles eingebettet in montanen Mischwald. Lückig-felsige Stellen, satte Blumenwiesen und Feuchtstellen sowie "Bedarfsquellen", die nur bei Regen schütten und bei Trockenheit versiegen. Ich habe vor Ort mal eine grobe Bestandsaufnahme gemacht, die Liste ist aber unvollständig:

    Gehölze: Fichte, Tanne, Weißtanne, Lärche, Bergahorn, Zitterpappel, Ohrweide, Esche, Vogelbeere, Erle, Birke.
    Strauchgehölze: große Bestände von Heidelbeeren, einzelne Pflanzen Preiselbeere
    Schmetterlingsblütler: Roter Klee, Kronwicke, Vogelwicke, Esparsette, Hornklee, Hopfenklee, Bergklee
    Orchideen: verschiedene Knabenkräuter, Fuchs' Knabenkraut, Zweiblatt, Schwertblättriges Waldvögelein, Echte Sumpfwurz
    Korbblütler: Wiesenpippau, Arnika, Löwenzahn, Huflattich, Pestwurz, Gänseblümchen, Flockenblume, Silberdistel
    Kreuzblütler: Schaumkräuter, Barbarakraut
    Nelken: Rote Lichtnelke, Kuckucks-Lichtnelke
    Rosengewächse: Wald-Erdbeere, Alpen-Heckenrose
    Sonstige: Kreuzblümchen, Labkraut (kein Kletten-Labkraut), Wiesen-Glockenblume, Bärtige Glockenblume, Schachtelhalm, Sumpfdotterblume, Gelber Hahnenfuß, Gamander-Ehrenpreis, Bachbunge, Wiesenknopf, Rossminze, Wachtelweizen, Klappertopf, Moose und Flechten
    Keine Eichen und Buchen.

    Mein Exkursionsgebiet habe ich täglich, manchmal mehrmals täglich besucht. Und dann fand ich diesen hübschen Wickler in 2 Exemplaren am 20.05.2011. Sie waren auch einigermaßen kooperativ für die Fotos. Ein weiteres Exemplar ist vom 26.05.2011.

    Wieder daheim half Kollege Zufall ein wenig mit. Bei der Suche nach einem hier aufgenommenen Wickler stolperte ich über ein Bild in der Bestimmungshilfe des Lepiforums: huch, der sieht aber meinem "Silberstreifen-Wickler" (Arbeitstitel) ähnlich. Und obwohl im Lepiforum die Fähnchen für Deutschland, Österreich und die Schweiz gehißt sind, gab es nur ein einziges Lebendfoto aus Finnland. Da stellen sich dann 2 Fragen: ist der so schwer zu bestimmen, z.B. nur durch GU, oder ist er einfach so selten? Letzteres trifft wohl zu.

    Etwas gegoogelt mit dem Artnamen Phiaris metallicana fand ich auf der Plattform funet.fi eine Abbildung, die meinem Fund genau entsprach. Und die Bestätigung aus dem Lepiforum kam noch am gleichen Tag von jemandem, der sich vortrefflich mit Kleinschmetterlingen auskennt. Und er schrieb, dass er den Falter noch nie lebend zu sehen bekommen hat. Das machte mich noch neugieriger, was die Häufigkeit/Seltenheit angeht.

    Heidelbeeren, Preiselbeeren, Rauschbeeren, das sind doch keine seltenen Pflanzen, sie kommen oft in großen Beständen vor. Also weiter gegoogelt. Nach einer Quelle gibt es nur 7 Sammlungsexemplare des Tieres in Europa:
    3 - Universität Oulu, Finnland
    2 - Tiroler Landesmuseum
    1 - Zoologische Staatssammlung München
    1 - Naturhistorisches Museum Oslo, Norwegen
    Keine Belege in der Salzburger Landessammlung (siehe EMBACHER, 2002).

    Wart ihr schon mal in einer wissenschaftlichen Sammlung? Da stecken normalerweise die Tiere in größeren Serien, links die Männchen und rechts die Weibchen. Und dann kein einziger Beleg in der Salzburger Landessamlung?

    An Fundmeldungen aus Europa habe ich folgende (Auswahl) gefunden:
    Norwegen:
    1 Ex 28.06.2005
    1 Ex 27.06.2009
    1 Ex 24.07.2010
    Polen:
    4 Fotos aus den letzten Jahren
    Schweden: 72 Fundmeldungen (max. 5 Exemplare) 1968 - 2010:
    1 - 1968
    2 - 1988
    2 - 1993
    1 - 1997
    1 - 1998
    1 - 2004
    15 - 2007
    13 - 2008
    15 - 2009
    18 - 2010
    Deutschland: Erstnachweis für Sachsen 2006, seither 3 weitere Funde (siehe Lepiforum)

    Insgesamt scheint die Verbreitung in nordeuropäischen, skandinavischen Ländern relativ häufiger zu sein und nach Süden eklatant abzunehmen.

    In seiner Arbeit weist G. Embacher darauf hin, dass die Art im Bundesland Salzburg nicht wirklich nachgewiesen werden konnte, es gibt nur alte Angaben von MITTERBERGER aus dem Jahr 1909. Für Oberösterreich gebe es nur 2 ältere, bestätigungsbedürftige Angaben. Auch für das angrenzende Bayern gibt es nur unüberprüfbare Angaben.

    Ich habe Prof. Embacher gestern Abend telefonisch über den Fund unterrichtet und ihm Fotos zugechickt, und mich erreicht soeben seine Rückmeldung: "Es ist dies der erste Nachweis der Art in Salzburg seit der Publikation von Mitterberger (1909)". Das ist doch wirklich ungeheuer spannend, oder?

    --------------------------------
    Literatur: G. EMBACHER: Die Tortricidae (Lepidoptera) des Bundeslandes
    Salzburg, Österreich, in Beiträge zur Entomofaunistik, Wien Dezember 2002 (Link)

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

    Einmal editiert, zuletzt von Sabine Flechtmann (9. Juni 2011 um 11:22)

  • Mensch Sabine, da bleibt mir ja regelrecht die Spucke weg...:eek:
    Was soll man dazu sagen außer:
    Herzlichen Glückwunsch
    zu diesem seltenen Fund !!!
    Wenn man mal so überlegt, daß der letzte Nachweis über 100 Jahre her ist, da weiß man erstmal was du für ein Glückspilz bist. Das will schon was heißen.
    Ja, so kann es einem gehen wenn man nur die Augen aufhält....:eek:
    Ich freue mich jedenfalls mit dir und wünsche dir auch weiterhin solche tollen Funde...:alright:

    Schöne Grüße aus dem Oderland - Achim

  • Liebe Sabine,

    das ist ja ein Oberknallerfund - meinen neidlosen und herzlichsten Glückwunsch!:alright: Ich glaube, ich kann erahnen, wie du dich bei der ganzen Sache gefühlt hast. Das sind schon emotionale Höhenflüge, oder? Dein Bericht liest sich fast wie ein Drehbuch zu einer Folge von CSI oder ähnlichem. Und der Falter ist darüber hinaus auch noch von herausragender Attraktivität, was ja nicht bei jedem seltenen Fund der Fall sein muss. Vielen Dank auch für die detaillierte Schilderung des zeitlichen Ablaufes deines Fundes und deiner Ermittungen.

    GGK - Ganz Großes Kino!
    *****
    Lieber Gruß,
    Meinhard

    Die Menschheit gehört zur verrücktesten Spezies.
    Sie verehrt einen unsichtbaren Gott und zerstört die sichtbare Natur.
    Im Unbewussten darüber, dass diese Natur, die sie zerstören, der Gott ist, den sie verehren.

    -Hubert Reeves-

  • Lieber Achim und Meinhard,
    sehr gerne nehme ich eure Glückwünsche entgegen, die in diesem Fall tatsächlich einen besonderen Fund betreffen. Ja, ich fühle mich als Glückspilz - und der "emotionale Höhenflug" trifft es wie den Nagel auf den Kopf. Schon beim Fotografieren fand ich den Falter ganz besonders hübsch, aber als sich nach und nach herauskristallisierte, dass er einfach extrem selten ist - das ist einfach elektrisierend. Ich kann es mit Worten kaum beschreiben. Vielleicht etwas zum Schmunzeln, aber ich bin tatsächlich gestern und heute aufgewacht mit dem allerersten Gedanken an diesen Falterfund. Und die Aussage vom Professor ist so etwas wie das Sahnehäubchen auf der Torte.
    Danke für die Sternchen, Meinhard.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

    Einmal editiert, zuletzt von Sabine Flechtmann (9. Juni 2011 um 16:46)

  • Mensch, Sabine, das ist ja der ... Ich weiß gar nicht, welche Worte die passenden sind. Einen verschollenen Schmetterling wieder zu entdecken. Die Gefühle, die du beim Erhalt dieser Information hattest, kann man nicht mit Worten beschreiben. Das freut mich total für dich. Auch von mir ein "schlichtes"

    HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!

    Liebe Grüße
    Sabine II

    Solange es Menschen gibt die denken, dass Tiere nicht fühlen,
    müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken.
    (Noah)

    Einmal editiert, zuletzt von Natura (9. Juni 2011 um 21:05)

  • Liebe Sabine II,
    auch dir ganz herzlichen Dank für die Glückwünsche.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Lieber Cedric,
    hab herzlichen Dank für das Interesse, schön dass der vom Text her ziemlich lange Beitrag dich nicht abgeschreckt hat. Es freut mich schon, dass du gerade die lange Beschreibung honorierst. Danke!

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Hallo Sabine,
    ich habe gerade Deinen tollen und spannenden Bericht mit den wunderschönen Fotos gelesen! Wouw - bin auch hin und weg und möchte mich den verdienten Lobeshymnen anschließen!
    Herzlichen Glückwunsch!! So ein "Jahrhundertfund" ist schon ein Wahnsinnsereignis! 5 Sterne!!
    Liebe Grüße
    Akiko

  • Hallo Akiko,
    ganz ganz herzlichen Dank auch für dein Interesse und dein Lob. Ja, über diesen "Jahrhundertfund" bin ich immer noch ganz glücklich. So etwas gibt es sicher nur einmal im Leben. Danke auch für deine Sternchen!

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

    Einmal editiert, zuletzt von Sabine Flechtmann (10. Juni 2011 um 20:07)

  • LIebe Sabine,
    meinen Herzlichen Glückwunsch zu diesem ganz besonderen Fund. Wunderschön ist dieser Wickler mit seinem silbrigen Streifen. Deine Schilderungen muten an wie das Auffinden eines Verschollenen, sehr spannend und interessant hast Du diese Geschichte erzählt, dafür gibt es *****.

    LG Brigitte

    [hr]
    Nicht von Beginn an enthüllten die Götter den Sterblichen alles. Aber im Laufe der Zeit finden wir, suchend, das Bess're.

    Xenophanes

    Einmal editiert, zuletzt von Waldgitti (12. Juni 2011 um 11:18)

  • Liebe Brigitte,
    vielen lieben Dank für deine Glückwünsche und die Sternchen. Ich denke, dass du völlig Recht hast mit dem Wiederauffinden eines Verschollenen. Was für mich die Frage aufwirft, nach wie vielen Jahren Verschollenseins ein Tier von der Faunenliste gestrichen wird und mit RL0 klassifiziert wird. Ich werde mich da mal schlau machen.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

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