Liebe Naturfreunde,
heute möchte ich euch meinen spannendsten Fund aus unserem Österreich-Urlaub vorstellen. Klein aber oho. Es ist ein Wickler von ganz besonderer Schönheit - und er ist extrem selten, was ich noch darstellen werde.
Wickler Phiaris metallicana, HÜBNER, 1799
Kurzsteckbrief
Familie Wickler: Tortricidae
Größe: Flügelspannweite 17 - 22 mm
Raupenfutterpflanzen: Blaubeere Vaccinium myrtillus, Rauschbeere Vaccinium uliginosum, Preiselbeere Vaccinium vitis-idaea
Die Raupen leben an eingesponnenen Blättern
Raupenzeit: Mai - Juni
Flugzeit: Juni - Juli
Eines meiner Haupt-"Exkursionsgebiete" am Berg ist die von uns sog. "Kochwiese", ein Nachbargrundstück, das von seinen neuen Eigentümern häufiger genutzt wird als in früheren Jahren. Aufgrund der relativ steilen Hanglage und einer Dauerfeuchtstelle bleiben einige Teile stets ungemäht.
Auf vergleichsweise kleinem Gebiet finden wir die unterschiedlichsten Lebensräume eng beieinander, alles eingebettet in montanen Mischwald. Lückig-felsige Stellen, satte Blumenwiesen und Feuchtstellen sowie "Bedarfsquellen", die nur bei Regen schütten und bei Trockenheit versiegen. Ich habe vor Ort mal eine grobe Bestandsaufnahme gemacht, die Liste ist aber unvollständig:
Gehölze: Fichte, Tanne, Weißtanne, Lärche, Bergahorn, Zitterpappel, Ohrweide, Esche, Vogelbeere, Erle, Birke.
Strauchgehölze: große Bestände von Heidelbeeren, einzelne Pflanzen Preiselbeere
Schmetterlingsblütler: Roter Klee, Kronwicke, Vogelwicke, Esparsette, Hornklee, Hopfenklee, Bergklee
Orchideen: verschiedene Knabenkräuter, Fuchs' Knabenkraut, Zweiblatt, Schwertblättriges Waldvögelein, Echte Sumpfwurz
Korbblütler: Wiesenpippau, Arnika, Löwenzahn, Huflattich, Pestwurz, Gänseblümchen, Flockenblume, Silberdistel
Kreuzblütler: Schaumkräuter, Barbarakraut
Nelken: Rote Lichtnelke, Kuckucks-Lichtnelke
Rosengewächse: Wald-Erdbeere, Alpen-Heckenrose
Sonstige: Kreuzblümchen, Labkraut (kein Kletten-Labkraut), Wiesen-Glockenblume, Bärtige Glockenblume, Schachtelhalm, Sumpfdotterblume, Gelber Hahnenfuß, Gamander-Ehrenpreis, Bachbunge, Wiesenknopf, Rossminze, Wachtelweizen, Klappertopf, Moose und Flechten
Keine Eichen und Buchen.
Mein Exkursionsgebiet habe ich täglich, manchmal mehrmals täglich besucht. Und dann fand ich diesen hübschen Wickler in 2 Exemplaren am 20.05.2011. Sie waren auch einigermaßen kooperativ für die Fotos. Ein weiteres Exemplar ist vom 26.05.2011.
Wieder daheim half Kollege Zufall ein wenig mit. Bei der Suche nach einem hier aufgenommenen Wickler stolperte ich über ein Bild in der Bestimmungshilfe des Lepiforums: huch, der sieht aber meinem "Silberstreifen-Wickler" (Arbeitstitel) ähnlich. Und obwohl im Lepiforum die Fähnchen für Deutschland, Österreich und die Schweiz gehißt sind, gab es nur ein einziges Lebendfoto aus Finnland. Da stellen sich dann 2 Fragen: ist der so schwer zu bestimmen, z.B. nur durch GU, oder ist er einfach so selten? Letzteres trifft wohl zu.
Etwas gegoogelt mit dem Artnamen Phiaris metallicana fand ich auf der Plattform funet.fi eine Abbildung, die meinem Fund genau entsprach. Und die Bestätigung aus dem Lepiforum kam noch am gleichen Tag von jemandem, der sich vortrefflich mit Kleinschmetterlingen auskennt. Und er schrieb, dass er den Falter noch nie lebend zu sehen bekommen hat. Das machte mich noch neugieriger, was die Häufigkeit/Seltenheit angeht.
Heidelbeeren, Preiselbeeren, Rauschbeeren, das sind doch keine seltenen Pflanzen, sie kommen oft in großen Beständen vor. Also weiter gegoogelt. Nach einer Quelle gibt es nur 7 Sammlungsexemplare des Tieres in Europa:
3 - Universität Oulu, Finnland
2 - Tiroler Landesmuseum
1 - Zoologische Staatssammlung München
1 - Naturhistorisches Museum Oslo, Norwegen
Keine Belege in der Salzburger Landessammlung (siehe EMBACHER, 2002).
Wart ihr schon mal in einer wissenschaftlichen Sammlung? Da stecken normalerweise die Tiere in größeren Serien, links die Männchen und rechts die Weibchen. Und dann kein einziger Beleg in der Salzburger Landessamlung?
An Fundmeldungen aus Europa habe ich folgende (Auswahl) gefunden:
Norwegen:
1 Ex 28.06.2005
1 Ex 27.06.2009
1 Ex 24.07.2010
Polen:
4 Fotos aus den letzten Jahren
Schweden: 72 Fundmeldungen (max. 5 Exemplare) 1968 - 2010:
1 - 1968
2 - 1988
2 - 1993
1 - 1997
1 - 1998
1 - 2004
15 - 2007
13 - 2008
15 - 2009
18 - 2010
Deutschland: Erstnachweis für Sachsen 2006, seither 3 weitere Funde (siehe Lepiforum)
Insgesamt scheint die Verbreitung in nordeuropäischen, skandinavischen Ländern relativ häufiger zu sein und nach Süden eklatant abzunehmen.
In seiner Arbeit weist G. Embacher darauf hin, dass die Art im Bundesland Salzburg nicht wirklich nachgewiesen werden konnte, es gibt nur alte Angaben von MITTERBERGER aus dem Jahr 1909. Für Oberösterreich gebe es nur 2 ältere, bestätigungsbedürftige Angaben. Auch für das angrenzende Bayern gibt es nur unüberprüfbare Angaben.
Ich habe Prof. Embacher gestern Abend telefonisch über den Fund unterrichtet und ihm Fotos zugechickt, und mich erreicht soeben seine Rückmeldung: "Es ist dies der erste Nachweis der Art in Salzburg seit der Publikation von Mitterberger (1909)". Das ist doch wirklich ungeheuer spannend, oder?
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Literatur: G. EMBACHER: Die Tortricidae (Lepidoptera) des Bundeslandes
Salzburg, Österreich, in Beiträge zur Entomofaunistik, Wien Dezember 2002 (Link)