Hilfe! Wollkrautblütenkäfer am Dachboden!

  • Hallo zusammen,
    jetzt habe ich schon ganz viele Beiträge hier im Forum gelesen und hoffe, dass mir auch jemand helfen kann. Bin leider ziemlich verzweifelt :(

    Wir sind im Februar umgezogen. Im März haben wir in unserer neuen Wohnung vereinzelt ein paar kleine Käfer gefunden. Schließlich auch Larven. Wir haben die Tierchen eingeschickt - das Ergebnis: Wollkrautblütenkäfer. Seitdem sind wir am Putzen und saugen, waschen alles bei 60 Grad, haben Lavendel ausgebracht und suchen täglich alles ab. Nun war ich heute auf dem Dachboden und dort habe ich am Fenster 26 Käfer gefunden. Hilfe! Das ist viel, oder? Wie kann ich hier nur vorgehen? Der Dachboden ist voller Ritzen und Stellen, an die ich nicht ran komme... Ich verstehe auch nicht, wie die Tierchen hier oben überleben können. Ich dachte ohne Futter (Haare, Hautschuppen, etc.) gehen sie ein.

    Kann jemand helfen? Oder hat so etwas schon mal erlebt?

    Vielen Dank für eure Kommentare!

    Micha

  • Ne. Sie läuft schon seit Mitte Februar, mit einem Ausreißer im Januar. ;) Statistisch gesehen: 24 Hilferufe seit Mitte Februar, einer aus dem Januar, also 25 insgesamt. Bisher, Stand heute, 110 Mails erhalten, die auch alle beantwortet wurden, zum großen Teil sehr ausführlich (da Emails, kann man es schwer sagen, aber geschätzt bedeutet "ausführlich" mindestens zwei DIN-A 4 Seiten in Schriftgröße 12, Schrifttyp Verdana). Die Abende sind zuweilen recht lang. Interessant finde ich, dass ich meist so zwei, drei Tage nichts habe und mich frage, ob es schon vorbei ist, und dann kommen an einem Tag bis zu drei neue Anfragen rein. Finde ich irgendwie spannend, dass es fast immer konzentriert passiert. Wenn hier einer eine gute Erklärung für hätte, wäre ich daran, aus reiner Neugier, sehr interessiert. :)

    Liebe Grüße

    Klaas

  • Moin, Klaas,
    vielleicht hat e mit Temperaturen zu tun, die die Aktivität beeinflussen?

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Alles normal. Die "Indoor-Käfer" fangen logischerweise früher an, als die "Outdoorkäfer", weil es in der Wohnung ja auch wärmer ist. Ich kenne das nur so, dass es drinnen irgendwann im Februar anfängt und dann mehr oder weniger nahtlos in die Schlupfereignisse draußen übergeht. Draußen startet lt. Literatur im Mai, aber ich denke, dass es dieses Jahr im April sein wird. Hab allerdings noch keinen gesehen.

    Liebe Grüße

    Klaas

  • Klasse, dass Du den Leuten so gut hilfst!
    Führst Du eigentlich auch eine Statistik dazu? Oder sprengt das den Rahmen?

    Viele Grüße

    Addi

    _______________________________________________________________________________________________________________________

    "In den kleinsten Dingen

    zeigt die Natur

    ihre größten Wunder."

    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • Na, 25 Anfragen in diesem Jahr ist doch schon Statistik, oder was meinst du sonst?

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Ich habe in diesem Frühling angefangen eine Statistik zu führen, weil es im vergangenen Herbst anfing, massiv zuzunehmen. Soll heißen, dass ich den Rahmen aus dem vergangenen Herbst inzwischen deutlich gesprengt habe, durch eine Zunahme um mehr als 100% vom Herbst auf heute. Ende nicht absehbar, obwohl ich vor Ostern dachte, dass wir wohl durch sind, weil es für eine Woche auf Null ging. Und in den Osterfeiertagen nahm es dann wieder massiv zu. Die obigen Ergebnisse resultieren aus der Statistik. Es ist aber nur eine Statistik. Aus der geht rein gar nichts hervor, was sich Personen bezogen verwenden ließe. Also gewissermaßen nur Zahlen für meine Neugier und um zu sehen, wohin es mich führt. Derzeit bin ich noch belastbar, aber wenn im Herbst eine erneute Zunahme im jetzigen Rahmen erfolgt, werde ich wohl an meine Grenzen stoßen..., oder ich habe neue Wege gefunden, dass ich über ein anderes Zeitmanagement weniger persönliche Zeit investieren muss.

    Das wäre aus mehreren Gründen schade.

    - Der wichtigste Punkt als erster: ich habe es mit Menschen zu tun, die ein Problem haben, bei dem ich, über mein Wissen, in der Regel sehr gut helfen kann. Nicht nur, was den Umgang, also die Bekämpfung des Problems, betrifft, sondern vor allem auch die psychischen Auswirkungen. Man denkt erst mal gar nicht darüber nach, aber nicht jeder ist so Käfer verliebt wie ich. Und wenn man dann ein paar von den Viechern im Haus hat, eine Menge, die völlig unbedeutend ist, kann das nachvollziehbar sehr belastend für die Betroffenen sein. Und jetzt stell Dir vor, Du weißt nichts über die Käfer, also Wissen über Entwicklung etc. gleich NULL, und Du bist in Deiner Wohnung und siehst einen, am nächsten Tag noch einen, zwei Tage später drei, noch einen Tag später wieder einen usw. usf. Stell Dir vor, das Spielchen erstreckt sich über zwei, drei Wochen. Da wirst Du bekloppt, weil Du denkst, das nimmt kein Ende. Und dann kommt eine Info, die sagt: "Alles normal. Die Käfer kommen grade aus ihren Verpuppungsplätzen hervor, da sie aber nicht alle gleichzeitig schlüpfen, findet man sie auch nicht gleichzeitig, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder mal einen oder ein paar." Das verändert Dein Weltbild und macht Dich ruhiger, weil Du weißt, dass es ein Ende nehmen wird und Du nicht in Käfermassen versumpfen wirst.

    - ich lerne bei jedem Fall was dazu. Das fängt damit an, dass ich mehr und mehr sehe, mit welchen Arten es zu Verwechslungen kommen kann. In einem Fall spielt es keine Rolle, weil es meist Anthrenus verbasci und hin und wieder Anthrenocerus australis sind. Die beiden Arten sind sich sehr ähnlich, aber entgegen der Literatur, bzw. den Angaben im Internet, spielt Anthrenocerus bei mir fast keine Rolle. Ebenso wie andere Anthrenus-Arten, bei denen entweder nur eine Verwechslung mit Anthrenus museorum denkbar ist. Auch andere Anthrenus-Arten spielen bisher noch weniger eine Rolle, als A. australis, obwohl sie für exakt das gleiche Problem als sehr viel häufiger als jede andere Art angegeben werden. Ich denke, hier hat es im Laufe der Zeit eine Verschiebung von anderen Anthrenus-Arten zu A. verbasci hin gegeben. Weitere Verwechslung, das hat mich überrascht, kann es mit Oenopia conglobata geben. Kommt einem erst komisch vor, ist dann aber, wenn man mal Fotos sieht, aufgrund deren Qualität der Fotos nachvollziehbar. Andere Dinge, die ich lerne, sind Hilfsmittel, deren Funktionalität im Internet, sagen wir mal etwas übertrieben, über alle Maßen gepriesen werden, unterm Strich aber (scheinbar) nichts bringen. Da kann ich auch gleich sagen: wer einige Anthrenus-Larven bei sich findet, der darf die mir gerne lebend zuschicken, damit ich hier ein paar eigene Versuche machen kann.

    - Es ist unglaublich erschreckend, wie die sogenannten Schädlingsbekämpfer drauf sind. Ich bin mir nicht sicher, ob die bei Invertebrata von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, oder aber, ob sich in diesem Metier einfach unglaublich viele Scharlatane rumtreiben. Schlimmstes Beispiel war, dass ein Schädlingsbekämpfer Kieselgur (dessen Brauchbarkeit ich inzwischen gerne überprüfen würde) einfach offen in der Wohnung, auf Möbel und Teppiche, verstreut hat. Und die "Jungs" kassieren für ihren Einsatz 250€. Und sie müssen mindestens zweimal kommen. Heißt, dass die meisten, bei mir Hilfe suchenden, so sie einen Schädlingsbekämpfer kontaktiert haben, mindestens 250€ löhnen durften, ggfs. sogar 500€ für nichts und wieder nichts. Und das ärgert mich am meisten, zumal die Schädlingsbekämpfer, wenn sie was tun, oft mit Giften vorgehen, bei denen man sich denken kann, dass es auch eine Wirkung auf den menschlichen Organismus gibt. Die Gifte werden ja gewissermaßen vernebelt und diese kleinen Aerosole landen überall. Auf Möbeln, auf den Tapeten, auf Böden etc. pp. Dort ziehen die Aerosole massiv ein (z.B. in Tapeten, Putz etc.) oder liegen diesem zumindest oben auf (z.B. Parkett, Laminat & Co.), trocknen weg und die Gifte werden über einen längeren Zeitraum an die Raumluft abgegeben. Das heißt, man atmet den Scheiß jeden Tag ein. Meist werden hier Pyrethroide eingesetzt, weil sie als mindergiftig (früher als ungiftig!!!) für den Menschen gelten. Untersuchungen in Laborversuchen und einem Versuchshaus haben eine Abnahme der Wirksamkeit um 10% innerhalb von 112 Tagen ergeben. Das heißt, dass der ganze Scheiß, der in meinen Möbeln, Tapeten, Teppichen usw. drin steckt, nach fast zwei Jahren gerade mal um die Hälfte abgebaut ist. Ich belaste meinen Organismus also mit "mindergiftigen" Giften über einen Zeitraum von mehreren Jahren (es sei denn, ich ziehe aus). Im Körper kann das Pyrethrum (sie werden als lipophil angegeben, also auf Deutsch "fettfreundlich" - vom griechischen abgeleitet, lipos = Fett und philos = liebend) dann im Fettgewebe abgelagert werden, wo die Halbwertzeit immerhin noch mit 30 Tagen angegeben wird. Also nicht so prall. Das Pyrethroid alleine stellt kein Problem dar, bzw. dürfte sich bei einer über viele Jahre andauernden Dauerbelastung auf die Leber auswirken, aber wir werden in unserer Umwelt von vielen anderen Stoffen belastet, die das ihre dazu tun.

    Man könnte sagen, dass dieser Beitrag hier eine Ahnung darüber gibt, wie ausführlich ich antworte. Allerdings ist die Ausführlichkeit auch von dem Abhängig, was mir die Betroffenen schreiben. Wer mir von Giften schreibt, bekommt einen genauen Auszug. Sie werden entweder nicht erwähnt, wenn man nichts dazu schreibt, oder wenn ich eine Ahnung habe, gibt es eine kurze Info dazu. Es gibt auch Emails, die relativ kurz ausfallen, wenn ich sehe, dass ich nicht mehr viele Neuheiten nennen kann. Oder wenn das Problem eigentlich kein Problem ist, weil nur eine Hand voll Käfer gefunden wurde, oder eben weitere Gründe. Und ich habe grundsätzlich zwei Anhänge, die meine Arbeit ein gutes Stück verringern, weil im einen sämtliche Info steht, die benötigt wird und die mir aktuell bekannt ist (arbeite grade an einer deutlichen Überarbeitung) und der andere eine Exceltabelle ist, über die man die Entwicklung des Befalls verfolgen kann, wenn man sie akribisch ausfüllt.

    Also unterm Strich ist es aufwändig, ja, aber auch hochgradig interessant.

    Liebe Grüße

    Klaas

  • Klasse Klaas, wieviel Arbeit und Zeit Du hineinsteckst! Es ist sehr zeitaufwändig, auf jede Anfrage persönlich einzugehen, aber Du schreibst ja auch Deine Motivation. Hoffentlich kannst du noch lange weitermachen, ohne dass es Dein Privatleben völlig vereinnahmt!

    Na, 25 Anfragen in diesem Jahr ist doch schon Statistik, oder was meinst du sonst?

    Z. B. folgende Notizen:

    - wann, über welchen Zeitraum

    - wo (Stadt)

    - wo (Keller, Schlafzimmer usw.)

    - wie viele

    Viele Grüße

    Addi

    _______________________________________________________________________________________________________________________

    "In den kleinsten Dingen

    zeigt die Natur

    ihre größten Wunder."

    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • Punkt 1: Für die Statistik unwichtig, aber in der Exceltabelle wird das sozusagen gefordert, weil wichtig zur Kontrolle der Veränderungen. Macht aber nur Sinn bei einem richtigen Befall, nicht wenn nur 10 Tiere da sind/waren.

    Punkt 2: unwichtig, weil vor allem in (Groß-)Städten, aufgrund der Besiedlung mit Tauben, die Wahrscheinlichkeit deutlich größer ist, dass die Käfer da sind und dann eben auch über offene Fenster und Türen rein kommen können.

    Punkt 3: Siehe Punkt 1. Für meine Statistik ohne Belang, für die Kontrolle mittels Exceltabelle aber wichtig. Wobei..., Keller ist in der Regel sehr unwichtig, weil zu kühl. ;)

    Punkt 4: Ergibt sich auch aus der Exceltabelle und ist darüber hinaus für meine Statistik nur insofern interessant, um zu sehen, wie stark der Befall ist und mit welchen Komplikationen ich rechnen muss oder kann.

    Liebe Grüße

    Klaas

    P.S.: So sieht die Nachweistabelle aus.


    Nachweistabelle
    DatumAnzahlStadium / Larve / KäferZimmerwo im ZimmerSpezifizierungvernachlässigt (ja / nein)
    wo im Zimmeram Fenster, im Kleiderschrank, im Bett
    Spezifizierungz.B. am Fenster, ob an der Wand ums Fenster, oder auf der Fensterbank, im Kleiderschrank, ob an hängenden oder liegenden Kleidungsstücken, an Jacken oder an T-Shirts, oder Socken etc. (Kenntnis über das Material, also Wolle, Baumwolle, Synthetik etc. wäre gut)
    "Vernachlässigt" soll lediglich aussagen, ob es sich z.B. um Winter- oder Sommersachen handelt, die eben in der gegenteiligen Jahreszeit nicht benutzt werden und nur im Schrank hängen, aber "vernachlässigt" werden, Kleidungsstücke, die man aus den unterschiedlichsten Gründen per se nur selten trägt und ähnliches.
  • Mal ein kleines Update für diejenigen, die es interessiert:

    Die Anfragen werden weniger. Trotzdem bin ich meanwhile bei 32 angekommen. Dabei ist eine Mail, bei der ich mich ernsthaft frage, was die sollte. Aber das werde ich wohl nicht raus kriegen. Ich kann nur sagen, dass sie mich vorsichtig werden lässt.

    Liebe Grüße

    Klaas

  • Lieber Klaas,
    das klingt interessant. Vorsicht mag sicher angebracht sein.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Mit Sicherheit. Ich gehe davon aus, dass mit zunehmender Bekanntheit der hiesigen Hinweise auf Anthrenus und der Zunahme der Anfragen der Dorn im Auge der Schädlingsbekämpfer größer wird und diese entweder versuchen Wissen abzugraben, oder aber versuchen, meinem "Treiben" Einhalt zu gebieten. ;) Ich sollte auf jeden Fall auch mit solchen negativen Seiten rechnen. :)

    Liebe Grüße

    Klaas

  • Ich gehe davon aus, dass mit zunehmender Bekanntheit der hiesigen Hinweise auf Anthrenus und der Zunahme der Anfragen der Dorn im Auge der Schädlingsbekämpfer größer wird und diese entweder versuchen Wissen abzugraben, oder aber versuchen, meinem "Treiben" Einhalt zu gebieten. ;) Ich sollte auf jeden Fall auch mit solchen negativen Seiten rechnen. :)

    Das wäre ja ein Ding! Hoffentlich ist Deine Privatadresse nicht bekannt! Mittlerweile zweifel ich immer mehr an das Gute im Menschen. Jeder ist sich nur selbst der Nächste! :39:

    Viele Grüße

    Addi

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    ihre größten Wunder."

    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • Das ist halt ein zweischneidiges Schwert, ein Gemisch aus Hilfe suchenden, die Im Internet gelesen haben, Infos aus Tiktok und Co. gezogen haben und aufgrund der dortigen, völlig übertriebenen Darstellungsweise mancher, selbst in Panik geraten und fast alles tun würden, nur um die Käfer quitt zu werden. Es kommt die Tatsache hinzu, dass es auch unter den Schädlingsbekämpfern (es ist meines Wissens keine geschützte Berufsbezeichnung, also kann sich jeder nach Lust und Laune so nennen) schwarze Schafe gibt, die man nackt mit der Peitsche durch den Ort treiben sollte. Und am Ende steht ein seriöser Schädlingsbekämpfer, der zum einen mit diesen schwarzen Schafen zu kämpfen hat und der zum anderen Dich dahin gehend berät, dass Du das selbst erledigen kannst. So mancher der Hilfe suchende besteht aber auf die Hilfe des Schädlingsbekämpfers, weil er sich nicht weiter zu helfen weiß (was man ihm, bei all den Horrorgeschichten aus dem Net, nicht verübeln kann). Und dann verwendet der Schädlingsbekämpfer eben folgerichtig Gifte, weil jeder andere Einsatz seinerseits unbezahlbar wäre. Also Anfahrt, verwendete Geräte und Gifte, Arbeitslohn, Gewinnpauschale und schon hast Du 250€ auf der Rechnung stehen, was absolut realistisch ist. Nur..., mit einem mal ist es nicht getan. Der Schädlingsbekämpfer MUSS noch mal wieder kommen, weil er beim ersten mal nie alles erwischt. Ähnlich wie bei Schabenbefall. Es ist ein Standardprozedere, welches durchaus Sinn macht. Also nochmal 250€. Das schlägt also mit 500€ zu Buche. Über die Wirkung der Gifte sage ich weiter unten mal was.

    Dann habe ich dieses Jahr einen Fall gehabt, der bei der Verbraucherhilfe angefragt hat. Die Damen und Herren haben einen Käfer angefordert, um ihn bestimmen zu können. Da ich davon ausgehe, dass die davon keine Ahnung haben, werden sie den Käfer weiter gereicht haben und haben an den Experten für eine Bestimmung, die man, wenn die Fotoqualität halbwegs stimmt, locker bestimmen kann, wenn man sich auskennt, mal eben 12,50€ bezahlt und die Rechnung gewissermaßen weiter gereicht. Die größte Verwechslungswahrscheinlichkeit ist mit Anthrenocerus australis, was aber keine Rolle spielt, da die Umgehensweise, aufgrund weitestgehend identischer Lebensweise, dieselbe ist. Nur ist der Hilfe suchende kein Experte, sondern absoluter Laie. Folgerichtig kommt es dann auch mal zu Verwechslungen mit völlig harmlosen Arten, die gar nicht in der Wohnung sein wollen. Und wenn man mit den Nerven parterre ist, wird alles zum grauseligen Schädling, was man sieht. Wenn man da nicht gegen redet, können sich hier durchaus Phobien entwickeln, die dann nur schwer wieder weg zu kriegen sind. Nun ist es so, dass ich mich nicht auf das verlassen kann, was irgendjemand bestimmt hat mit Hilfe des Internets. Zum Glück stelle ich fest, dass die Menschen, die mich anschreiben, es zu 99% schaffen, Anthrenus verbasci richtig anzusprechen. Aber drauf verlassen kann ich mich, aufgrund auch anders lautender Erfahrungen, nicht. Also muss ich jedesmal um ein Foto bitten, wenn möglich. Jedesmal 12,50€ für einen kurzen Blick auf ein Foto? Wow. Wenn ich das hoch rechne und einfach mal eine Minute dafür zugrunde lege, komme ich auf einen Stundenlohn von 750€. :eek: Das fühlt sich wie Beschiss an. Ich weiß, warum ich das nicht will.

    Kommen wir auf die Gifte zu sprechen. Sehr beliebt ist der Ardap-Fogger. Das ist ein Teil, welches das gleichnamige Gift, also Ardap, im Raum versprüht. Ardap enthält Permethrin. Andere Produkte verwenden Cypermethrin oder Allethrin. Klingt wie tausend verschiedene Gifte, ist aber alles dasselbe, nur jeweils in einer anderen, molekularen Zusammensetzung, nichts weiter, als eine Produktbezeichnung. So wie Nutella und Nuspli. Im Endeffekt handelt es sich um Pyrethroide, das aktuellste aus der Chemieküche. Als Pyrethrum und hiervon abweichend Pyrethroide auf den Markt kamen, galten sie als für den Menschen ungiftig. Inzwischen weiß man, dass sie zu Kopfschmerzen und anderen unangenehmen Begleiterscheinungen führen können. Ok, die Kopfschmerzen, ggfs. Übelkeit und ähnliches, gehen wieder vorüber. Wenn man ehrlich ist, würde man das als mindergiftig bezeichnen und damit als doch eher unbedenklich.

    2019 wurde eine Studie zum Permethrin durchgeführt. Hierfür hat man sowohl unter Laborbedingungen, als auch in einem Versuchshaus, relativ identische Daten ermittelt. 112 Tage nach dem Ausbringen des Permethrins, hat man eine Verringerung der Giftigkeit um lediglich etwa 10% festgestellt. Das heißt, dass das im Haus ausgebrachte Permethrin, wenn es dort verbleibt, nach rund 3,07 Jahren erst abgebaut ist. Solange atmet man den Scheiß in langsam abnehmender Giftigkeit, ständig ein, wenn man im Haus ist. Nun kann man ja einfach lüften und der Scheiß zieht zum Fenster raus und verdünnt sich bis ins Endlose in der Luft.

    Falsch gedacht, denn die feinen Aerosole, die man versprüht, ziehen in Tapeten, in Holz und weiß der Teufel wo nicht überall ein. Und hier werden sie in kontinuierlicher Menge an die Raumluft wieder abgegeben. Man kann also lüften und beseitigt damit einen gewissen Teil der Gifte, aber man verschlechtert seine Raumluft auch deutlich für den Zeitraum von über 3 Jahren. Der menschliche Körper baut die Pyrethroide über die Leber ab. Wir belasten also ohne Unterbrechung unsere Leber. Die 3 Jahre sind da nahezu bedeutungslos. Aber gemischt mit anderen Umweltgiften, möglicherweise erfolgt ein erneuter Einsatz der Gifte, bewirken eine Dauerbelastung unserer Leber, die dann nicht mehr egal ist. Dann kann ich mir auch auf Dauer eine Leberzirrhose ansaufen. Wenn einem der Alkohol schmeckt, hat man dann wenigstens was davon gehabt.

    Weitere, negative Begleiterscheinung. Die unerwünschten Gäste sind in der Lage Resistenzen gegen das Gift aufzubauen. Es kommt dann bei Käfern und Larven zu einer Überproduktion von Esterasen und Oxidasen, die das Gift neutralisieren. Und schon kann man die Kacke Kubikmeter weise versprühen und hat dadurch nichts, außer einer Belastung der eigenen Leber erreicht.

    Je länger ich mich mit dem Thema befasse, desto spannender wird die Nummer. Es ist unendlich spannend zu sehen, was alles angeboten wird, wie wirksam es letzten Endes ist. Es ist unendlich spannend die Entwicklung der Hilfe suchenden zu beobachten. Unterm Strich kann ich also sagen: dat macht voll Spaß. :)

    Liebe Grüße

    Klaas

  • Danke Klaas, für Deinen ausführlichen Bericht zu verschiedenen Teilen des Wollkäferproblems. Hochinteressant die einzelnen Facetten, wie Informationssuche, Wissen vs. Halbwissen bis gar-nicht-wissen, Gifte und ihre Auswirkungen, Preise... :98.

    Viele Grüße

    Addi

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    "In den kleinsten Dingen

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    ihre größten Wunder."

    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • Den Faden habe ich jetzt zusätzlich im Lexikon verlinkt.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
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    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Ich gebe mal ein Update der Erfahrungen zu den Lagerpiraten, die immer wieder gerne als biologische Maßnahme zur Bekämpfung ins Spiel gebracht werden. Zum einen, was die Lebensweise betrifft, zum anderen aber auch gewissermaßen eine "Anekdote", die sich aus zwei Informationsaustauschen ergeben hat, die sehr deutlich für die Machenschaften unterschiedlicher Unternehmen im Internet steht. Also:

    "Lagerpiraten" ist der nicht mal volkstümliche Trivialname einer heimischen Wanzenart, die wissenschaftlich Xylocoris flavipes heißt. "Nicht mal volkstümlich" soll hier bedeuten, dass der Name kein in der Bevölkerung gewachsener Trivialname ist. Die Lagerpiraten gehören zu den Blumenwanzen (Anthocoridae) und werden, wenn sie überhaupt volkstümlich erwähnt werden, auch als solche, also Blumenwanzen bezeichnet. Der Name "Lagerpiraten" hat sich für mein Verständnis im Laufe der Zucht und des Einsatzes gegen Schädlinge als Trivialname ergeben, der deutlich macht, welcher Einsatz gedacht ist (Piraten = Räuber, Mörder what ever und Lager = in geschlossenen Räumen einsetzbar), da der Otto-Normal-Verbraucher sicherlich nicht mit dem wissenschaftlichen Namen um sich werfen wird, sondern was einprägsames braucht. Und "Blumenwanzen" klingt da eher wie Bekämpfung auf Schmusekurs. Also schon mal ein willkürlich martialisch gewählter Name.

    Zur Lebensweise sind einfach zwei Punkte wichtig:

    1. es handelt sich dabei um eine Wanzenart, die bei uns heimisch ist, aber kein Kulturfolger, sondern auf Gebüschsäumen, Wiesen und in Wäldern zu finden ist. Hieraus kann man problemlos den Rückschluss ziehen, dass sie, im Gegensatz zu Anthrenus verbasci und Anthrenocerus australis, nicht an den extrem trockenen Lebensraum unserer Häuser angepasst sind, sondern auf ein Leben draußen in Wiese, Feld und Flur. Daraus ergibt sich, dass in der Wohnung ausgesetzte Lagerpiraten nur eine sehr kurze Lebensspanne haben werden, da sie relativ schnell vertrocknen werden. Wenn ich verschiedene Käferarten, die auch nicht dem Menschen folgen, wie z.B. Harpalus rufipes, der im Spätsommer zu Massenauftreten neigt und dann oft im Zuge seiner räumlichen Expansion in Häuser eindringt, zu Grunde lege, würde ich ihnen maximal 48 Stunden geben, wenn ich großzügig bin, fünf Tage. Mehr ist nicht. Das bedeutet, dass die Freisetzung an sich nur von kurzer Wirkungsdauer ist.

    2. Die Beute der Lagerpiraten in der freien Natur besteht in erster Linie aus weichhäutigen Insektenarten, besonders aus dem Bereich der, fassen wir es mal unter dem trivialen Oberbegriff Blattläuse zusammen. Namentlich vor allem Vertreter der Aphidae, Coccidae, Psyllidae, Psocoptera und Milben (Unterklasse Acari). Wer sich diese Tiergruppen ansieht, der stellt sofort fest, dass da ein nicht unwesentlicher Unterschied zu den Imagines der Anthrenocerus und Anthrenus besteht, nämlich extreme Weichhäutigkeit zu extrem gut gepanzert. Und entsprechend wird das Beutespektrum auch weiter ausgeführt mit Eiern und Larven von Schmetterlingen und Käfern, nicht aber die Imagines dieser Ordnungen. Das bedeutet, dass der Einsatz der Lagerpiraten nur Sinn macht, wenn Eier oder Larven der beiden fraglichen Käfergattungen vorhanden sind. Da nur schwer einzuschätzen ist, wann Eier vorhanden sein könnten, muss man sagen, dass ein Einsatz der Lagerpiraten, wenn es nicht nur um Geld geht, auf die Zeit der Larvenaktivität beschränkt sein sollte. Alles andere würde ich mal vorsichtig als Beschiss am Kunden bezeichnen.

    Kommen wir zu den Erfahrungen, die ich im Austausch mit zwei Hilfe suchenden gemacht habe, die tatsächlich, bevor sie den Kontakt zu mir hergestellt haben, Lagerpiraten eingesetzt haben. Beide haben unabhängig voneinander beim gleichen Lieferanten bestellt. Namen werde ich hier bewusst nicht nennen. Nr.1 wurde dahin gehend online beraten, dass man die Größe der Wohnfläche, also die Quadratmeter der Wohnung, kennen müsse, um auf diese Größe die benötigte Anzahl Lagerpiraten hoch zu rechnen. Klingt erstmal vernünftig, aber nur, wenn man es oberflächlich betrachtet. Dazu komme ich im Anschluss, da ich hier nur erst mal aufzeigen will, wie perfide und Geschäfts orientiert die Beratung ist. Nr.1 gab 130 qm an und der Anbieter hat hierfür 4 Röhrchen á 40 Individuen der Lagerpiraten errechnet. Preis pro Röhrchen 25€, also schlug das mit 100€ zu Buche. Nr.2 erhielt exakt dieselbe Beratung, allerdings bei einer Größe der Wohnung von nur 50 qm. Die errechnete, benötigte Menge Lagerpiraten wurde hier, oh Wunder, auch mit vier Röhrchen á 40 Individuen angegeben. Also auch hier 100€. Daraus kann man eigentlich nur den Rückschluss ziehen, dass man auf Seiten der Anbieter überhaupt keine Ahnung bezogen auf die Ermittlung der benötigten Menge hat, sondern den Bedarf willkürlich und optimal auf den eigenen Umsatz, halbwegs plausibel erklärt, maximiert. Und bei beiden Personen waren in den Röhrchen auch verstorbene Tiere, die also den Transport schon nicht überlebt haben. Weshalb, könnte ich nur spekulieren, da ich die "Verpackung" nicht kenne. Und auf Spekulation habe ich keinen Bock, auch und besonders, weil die bis hierhin ermittelten Daten ausreichen, dass man eigentlich nur maßlos enttäuscht sein kann.

    Packen wir mal die Fehler an, die in diesem System stecken und die man, mit oben genanntem Hintergrundwissen schnell und logisch ermitteln kann:

    1. Lebensdauer in der Wohnung maximal fünf Tage. Danach sind die ausgesetzten Wanzen entweder tot oder abgewandert. Diese fünf Tage sind nicht mal im Ansatz ausreichend, dass eine nennenswerte Veränderung in der Individuenzahl der Schädlinge in der Wohnung nachvollziehbar wäre. Also null Ergebnis.

    2. Das Nullergebnis wird noch verstärkt dadurch, dass die Wanzen willkürlich verschickt werden. Es wird kein optimaler Zeitraum ermittelt und die Leute kriegen die einfach, egal ob sicher ist, dass Larven und/oder Eier vorhanden sind oder nicht. Und an die Käfer gehen die Wanzen nicht ran.

    3. Das Verhalten der Larven der Schädlinge ist konträr zum Verhalten der Wanzen. Die Wanzen sind tagaktiv, die Larven sind nachtaktiv. Das bedeutet, da sich die Larven tagsüber an dunklen Stellen verstecken, die von den Wanzen nicht, oder nur in Ausnahmefällen aufgesucht werden, ist ein Zusammentreffen von Larven und Jäger fast auszuschließen und somit der Wirkungsgrat, egal wie lange die Wanzen leben, nahezu null.

    4. Die Ermittlung der benötigten Menge an Lagerpiraten ist so hanebüchen, dass man den Veräußerern eigentlich schon arglistige Täuschung oder sogar Betrug nachsagen muss. Man erhält 160 Lagerpiraten für 130 qm, egal wie stark der Befall ist. Wenn ich bei 130 qm aber nur 10 Individuen habe, sind 160 Lagerpiraten völlig überzogen. Im Gegensatz dazu, wenn man auf 50 qm 100 Individuen in der Wohnung hat, erhält man auch 160 Lagerpiraten. Also die gleiche Menge, bei unterschiedlicher Wohnunggröße und völlig unterschiedlichem Befall. Und ob die Anzahl von 160 Lagerpiraten wenigstens in diesem Fall ausreichend wäre, lasse ich dahin gestellt. Die Antowrt kann sich jeder selbst geben, in Hinblick auf die hier zusammen getragenen Daten.

    Man muss kein Experte sein, um hier Machenschaften zu erkennen, die nichts mit Hilfe für die Betroffenen zu tun haben. Hier kommt einzig ein psychologisches Moment zum Tragen, dass man was getan hat, welches aber innerhalb weniger Tage wieder zusammenbrechen wird. Erstens, weil man die Lagerpiraten nach der Freisetzung kaum noch zu sehen bekommt und sich fragt, ob die überhaupt noch da sind und zweitens, weil die Menge Schädlinge, die man in der Wohnung findet, einfach nicht weniger wird und der Nervenkrieg damit von neuem beginnt, allerdings auf ganz anderem Niveau, weil die Nerven zum einen nicht wirklich beruhigt waren, sondern nur geprägt waren von Hoffnung und zum anderen, weil man erkennen muss, dass keinerlei Wirkung vorhanden ist, was das Gefühl wesentlich verstärkt, dass man auf verlorenem Posten steht.

    Aus meiner Sicht sprechen wir hier von Vorspiegelung falscher Tatsachen, einer unendlich schlechten Beratung, von Ausnutzung einer Notsituation zum Wohle des eigenen Portemonnaies und damit unterm Strich eigentlich von Betrug. Nur ob es Betrug ist, müsste im Ernstfall ein Gericht feststellen. Ich kann nur hoffen, dass viele Betroffene diesen Teilbericht lesen und nicht in die "Lagerpiraten-Falle" tappen und ein schwindender Umsatz diesen Machenschaften ein Ende bereiten wird.

    Liebe Grüße

    Klaas

  • Lieber Klaas,
    das ist hochinteressant zu lesen.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

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