Artikel von Sabine Flechtmann am 13.01.2018
in diesem Faden: Unbekannte Falter: wer sind sie?
Internationale Regeln ICZN (International Code for Zoological Nomenclature = Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur)
Die Namensgebung im Tierreich richtet sich grundsätzlich nach den Regeln des ICZN. Es gilt die Regel, dass es innerhalb einer Gattung dieselbe Kombination aus Gattungs- und Artnamen nur ein einziges Mal geben darf.
de.wikipedia.org/wiki/Internat…e_Zoologische_Nomenklatur
Originalkombination
Der einfachste Fall ist folgender: Eine neue, bisher unbekannte Art wird gefunden, beschrieben und ein binominaler Name (mit Gattungsnamen und Artnamen) vergeben:
Geometra papilionaria LINNAEUS, 1758
lepiforum.de/lepiwiki.pl?Geometra_Papilionaria
So lange an dieser Namenskombination nichts verändert wird, steht der Autor in Kapitälchen neben dem Namen. Im Lepiforum findet man das unter Originalkombination.
Unzulässige Emendation
Dieser Name darf nicht verändert werden, auch wenn der Autor sich möglicherweise verschrieben hat:
Mythimna anderreggii (BOISDUVAL, 1840)
lepiforum.de/lepiwiki.pl?Mythimna_Anderreggii
dem Wolfgang Anderegg zu Ehren. Dieser schrieb sich mit nur einem "r",
aber aufgrund der nicht zulässigen Emendation (Korrektur) ist das Taxon Mythimna andereggii (BOISDUVAL, 1840) ungültig.
Namensvorrang nach Alter
Als gültiger Artname ist immer die älteste Kombination zu nehmen. Es kommt aber vor, dass bei Recherchen eine ältere Kombination gefunden wird, die bislang unbekannt war oder unbeachtet geblieben ist. Ein Beispiel ist Campaea margaritata (LINNAEUS, 1767): Man hat herausgefunden, dass Linnaeus selbst die Art schon im Jahr 1761 als Campaea margaritaria
beschrieben hat und betrachtet seine eigene Neubeschreibung aus dem Jahr 1767 als namentlich unzulässige Emendation. Folglich heißt der
Falter nun Camapaea margaritaria (LINNAEAUS, 1761).
lepiforum.de/lepiwiki.pl?Campaea_Margaritaria
Wechsel einer Art in eine andere Gattung ()
Ist ein Autor der Meinung, dass eine bestimmte Art eine nähere Verwandschaft mit einer anderen Gattung hat als die aktuelle
Artzugehörigkeit, dann kann er den Wechsel in diese Gattung propagieren. Als Beispiel das Tagpfauenauge: Die Originalkombination lautete Papilio io LINNAEUS, 1758. Karsholt & Razowski kombinierten das Art-Epitheton "io" mit der Gattung "Inachis"; in diesen Fällen eines Gattungswechsels wird der Name des Autors in runde Klammern gesteckt:
Nymphalis io (LINNAEUS, 1758).
Eckige Klammern
Eckige Klammern finden sich bei Autorennamen oder bei Jahreszahlen. Früher wurde wohl weniger Wert darauf gelegt, die Herausgabe eines
Werkes mit der Jahreszahl des Erscheinungsdatums zu versehen. So bleibt bei einigen Veröffentlichungen unklar, wann sie genau erschienen sind. In diesen Fällen wird die Jahreszahl in eckige Klammern gefasst.
Beispiele
Bucculatrix humiliella HERRICH-SCHÄFFER, [1855]
lepiforum.de/lepiwiki.pl?Bucculatrix_Humiliella
Eilema griseola (HÜBNER, [1800-1803])
lepiforum.de/lepiwiki.pl?Eilema_Griseola
Das "Wiener Verzeichnis" von 1150 Schmetterlingsarten wurde anonym herausgegeben und später Johann Ignaz Schiffermüller und Michael Denis zugeschrieben. Das führt zu den eckigen Klammern um die Autoren DENIS & SCHIFFERMÜLLER Ancylis badiana ([DENIS & SCHIFFERMÜLLER], 1775)
(Siehe auch Wikipedia-Eintrag dazu: de.wikipedia.org/wiki/Johann_Ignaz_Schifferm%C3%BCller)
Synonyme
Echte Synonyme finden sich dort, wo verschiedene Autoren neue bzw. vermeintlich neue Arten beschrieben haben. So beim Tagpfauenauge: Ferdinand OCHSENHEIMER (1767- 1822) aus Wien beschreibt das Tagpfauenauge unter dem binominalen Namen Aglais ioides (OCHSENHEIMER, 1807) und Charles OBERTHÜR (1845-1924) beschreibt in Frankreich Aglais belisaria (OBERTHÜR, 1889). Da die Kommunikationswege früher nicht so schnell wie heute waren, könnten sie möglicherweise nichts von der jeweils anderen Beschreibung gewusst haben (meine Spekulation). Hier ist die Arbeit der Taxonomen gefragt festzustellen, ob es sich um dieselbe Art oder verschiedene Arten handelt.
Hinter Herausgeber versteckte Autorenschaft
Es gibt echte Sonderfälle, wie z.B. beim Postillon Colias croceus FOURCROY, 1785. Tatsächlich war Antoine François de Fourcroy der Herausgeber einer Insektenliste aus der Gegend von Paris. Dass er jedoch diese Liste von Étienne-Louis Geoffroy ins Lateinische übersetzt hat und die Neubeschreibungen mit Sternchen gekennzeichnet hatte, ist lange übersehen worden. Seit den 1970er Jahren etwa wurde dem Umstand Rechnung getragen, und so finden wir heute den Postillon mit Autorenzitat als Colias croceus (GEOFFROY in FOURCROY, 1785) wieder. Eine höchst spannende und empfehlenswerte Lektüre hierzu im Lepiforum:
lepiforum.de/2_forum.pl?md=read;id=79054
Namenstausch
Es gibt zwei Arten von Eulenfaltern, die ihre Namen irgendwann getauscht haben! Das heißt, dass von zwei verschiedene Autoren jeweils eine neue
Art beschrieben wurde. Leider fällt mir nicht ein, um welche beiden Arten es sich gehandelt hat. Mutmaßlich wegen der Regel, dass die
in der ältesten Beschreibung gewählte Name gültig sein muss, haben sie ihre Namen getauscht. In diesem Fall ist die Nennung des Autors zwingend
erforderlich, damit man weiß, welche Art wirklich gemeint ist. Zumindest so lange, bis sich der neue Name etabliert hat.
Art-Epitheton passt sich dem Geschlecht des Gattungsnamens an
Das Art-Epitheton soll sich dem grammatischen Geschlecht des Gattungsnamen anpassen, deshalb findet sich in der Literatur (und in der Liste der Schmetterlinge Salzburg 2011) auch der Name Colias crocea für den Postillon. Es gibt jedoch immer weniger Biologen mit Lateinkenntnissen und
vermutlich noch viel weniger mit Altgriechischkenntnissen. Es wird aktuell darüber spekuliert, ob diese Vorgabe in der nächsten Fassung des ICZN (International Code for Zoological Nomenclature = Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur) nicht abgeschafft wird. Auch hierzu eine interessante Lektüre:
lepiforum.de/2_forum_2017.pl?page=1;md=read;id=1280
Linné oder Linnaeus?
Bei den Schmetterlingen wird Linné (ausnahmslos?) als LINNAEUS angegeben. Als ich mal für die Käfersektion im Verein etwas Korrektur gelesen habe, bin ich auf folgenden, interessanten Umstand gestoßen. Die Käferer nehmen die Autorenschaft nämlich noch genauer. Carl von Linné wurde als Carl Nilsson Linnæus in Schweden geboren und 1756 als Carl von Linné in den Adelsstand erhoben. Alle Käferbeschreibungen vor 1756 werden von den Käferern mit Autorschaft Linnæus angegeben, alle späteren mit Linné.
Ergänzungen von Klaas Reißmann am 14.01.2018
Unbekannte Falter: wer sind sie?
Ein paar grundsätzliche Sachen, ergänzend zu dem, was Sabine schrieb, als weitere Erläuterung, möglicherweise wiederhole ich Sabine 's Aussagen hier und dort auch einfach nur. Das bitte ich dann zu entschuldigen.
Es gibt die internationalen Regeln der binären Nomenklatur. Zuständig für die Einhaltung ist das ICZN in England, ein Gremium, das eben ggfs. die Regeln ändert, wenn Fehler erkannt werden (sehr unwahrscheinlich) und ansonsten versucht darauf zu achten, dass die regeln eingehalten werden, bzw. Anträge von Autoren bearbeitet. Dazu gibt es dann im Laufe des Jahres diverse Veröffentlichungen. Die aufgestellten Regeln garantieren, dass der wissenschaftliche Name einer Art eindeutig ist. Es gibt aber immer wieder Veränderungen, denn Forschung lebt und vieles in der Forschung ist eine Meinung, der man widersprechen und ggfs. eine Gegendarstellung veröffentlichen kann. Das Geschriebene gilt, so lange, bis es eine Gegendarstellung gibt.
Einige der wichtigsten Regeln sind, dass:
- der Name gilt, der zuerst genannt wurde
- es gibt die Möglichkeit beim ICZN zu beantragen, dass ein bekannter Name dem älteren Namen gegenüber Vorrang hat
- es den Gattungsnamen nur EINMAL geben darf, allerdings darf er einmal im Tierreich und einmal im Pflanzenreich auftauchen
Aus den Regeln der binären Nomenklatur ergeben sich viele Neuerungen, Veränderungen.
So haben z.B. nur die Artnamen Gültigkeit. Die Benennung von Unterarten, Formen, Aberrationen ist zwar beliebt, hat aber keinerlei Bedeutung. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Formen und Aberrationen all zu oft von äußeren Faktoren abhängig sind. So ist das Landkärtchen (Araschnia levana) in zwei Formen aufgeteilt, die Frühjahrs- und die Sommerform. Aber die jeweilige Form ist einzig von der Tageslänge abhängig, die in der Entwicklungsphase der Raupe herrscht. Länger werdende Tage bringen die Sommerform (Araschnia levana f. prorsa) hervor, kürzer werdende Tage die Frühjahrsform (Araschnia levana f. levana). Nun werden die beiden Formen von allen Bearbeitern ernst genommen, weil sie eben jedes Jahr auftreten und zu 100% die Population betreffen..., jedes mal, was so gravierend ist, dass beide Formen eine Zeit lang als unterschiedliche Arten betrachtet wurden. Wenn Du es aber möchtest, kannst Du in der Zucht die eine Form verhindern, indem Du künstlich das Tageslicht über oder unter einer gewissen Dauer hältst.
Lycaena phlaeas f. coeruleopunctata ist eine Form, die im Sommer recht häufig auftritt (blaue Flecken vor der orangenen Binde der Hinterflügel). Diese ist aber wohl einzig von der Temperatur während der larven- oder Puppenzeit abhängig. Überhaupt sind farbliche Abweichungen fast immer von äußeren einflüssen abhängig und haben somit keine Konstanz und wirken sich auch in der Regel (es gibt Ausnahmen, siehe Landkärtchen) nicht auf die gesamte Population aus, sondern nur auf mehr oder weniger Einzelindividuen.
Ein schönes Beispiel für Namensänderungen ist der Bockkäfer Oxymirus Cursor. Der Käfer hieß in meiner Kindheit noch Toxotus Cursor. Eben bis jemand bei Recherchen feststellte, dass der Name "Toxotus" bereits vergeben war für eine Fischgattung. Jetzt stell Dir vor, dass es bei den Fischen auch einen Toxotus cursor gibt. Dann ist die kacke am dampfen, weil eine klare Zuordnung nicht mehr möglich ist. Da sich Coleopterologen (also Käferfuzzies) selten mit Fischen befassen und umgekehrt die Ichtiologen (Fischfuzzies) selten mit den Käfern, hat man dieses Doppel erst sehr spät erkannt. Da die Fische vor den Käfern benannt wurden, hatten die Fische, nach den internationalen Regeln Vorrang und die Käfer brauchten einen neuen Namen.
Forschung lebt und geht weiter. Der liebe Herr Alonso Zarazaga hat in den 1990er Jahren die Rüsselkäfergattung Apion aufgesplittet, weil er der Meinung war, dass die Gattung zu groß und damit zu unübersichtlich wurde. Außerdem legte er wert darauf die verwandtschaftlichen über Gattungen besser darlegen zu können, als über Untergattungen (ein Taxon, das nach den Regeln nicht gültig ist). Darüber kann man sich streiten. Ich persönlich finde, dass man einen Apion als solchen erkennt und die Aufsplittung der Gattung für viel mehr Verwirrung gesorgt hat, als dass es geholfen hat. Und die verwandtschaftlichen Verhältnisse lassen sich meiner Meinung nach über Untergattungen wesentlich besser darstellen, auch wenn das Taxon keine Gültigkeit hat. Du siehst, man kann verschiedene Meinungen haben. Die von Zarazaga hat Gültigkeit, weil er es veröffentlicht hat. Ich habe weder Zeit noch Lust mich damit zu befassen. Aber wenn ich eine gut begründete Gegendarstellung veröffentliche, hat sich alles, was Zarazaga schrieb, erledigt, bis er wiederum eine Gegendarstellung schreibt. es ist alles eine Meinung, bis jemand eine andere Meinung hat.
Der Große Kolbenwasserkäfer (Hydrophilus piceus) war früher in die Gattung Hydrous eingeordnet. Bis jemand festgestellt hat, dass Linné die Art als erstes unter dem Gattungsnamen Hydrophilus beschrieb. Also musste nach den Regeln der binären Nomenklatur ab da der Name Hydrophilus eingesetzt werden. Problem war, dass der Gattungsname an anderer Stelle vergeben war (Hydrophilus caraboides und weitere). Das heißt, der Autor musste als erstes die zum dem Zeitpunkt existente Gattung Hydrophilus neu benennen (sie heißt heute Hydrochara), um dann die Gattung Hydrophilus neu, bzw. alt belegen zu können. Das ist auch so passiert. Es hätte aber auch die Möglichkeit bestanden beim ICZN zu beantragen, dass der Gattungsname Hydrous aufgrund seines sehr großen Bekanntheitsgrades Vorrang behält. Ein Antrag, von dem davon auszugehen ist, wenn er richtig gestellt wird, dass ihm statt gegeben worden wäre. ABER: die Taxonomie ist ein Markt der Eitelkeiten. Der antrag würde nicht viel Aufsehen erregen und den Bekanntheitsgrad des Wissenschaftlers nicht oder nicht nennenswert steigern. Also wird die andere Methode bevorzugt. Auch, weil der Antrag schon mit einigen Hürden belegt ist.
Nomenklatur und Taxonomie leben und sind Veränderungen unterworfen. Diese ändern aber nichts daran, dass ein Name eindeutig und international ist, weil er nur einmal vergeben ist und weltweit gilt. Das ist der Unterschied zu den Trivialnamen, die einfach vergeben werden und zigfach sein können. So sind bei uns am Niederrhein die Schnaken Dipteren, die in die Familie Tipulidae gehören. In Bayern sind es aber die Stechmücken (Culicidae und weitere), womit der Name einfach nicht eindeutig ist und für Verwirrung und Fehler sorgen kann.