Auerochsen und der Heck-Mythos

  • Hallo,


    Dies ist mein erster größerer Beitrag hier, ich hatte leider nicht die Zeit ihn groß umzuformulieren. Es ist ziemlich viel, ich habe die Sache recht ausführlich gemacht.
    Diesem Beitrag gingen monatelange Recherche und ausgiebige Befassung mit dem Thema sowie Kontakte mit entsprechenden Personen voraus.
    Es geht primär darum, aufzuzeigen, warum das Heckrind nichts besonderes mit dem Auerochsen zu tun hat, und man für den Ersatz der Ure in der Natur auf eine authentische Zucht, welche gerade von TaurOs Project gezüchtet wird, warten sollte.


    Die Merkmale des Urs

    Zuerst möchte ich allerdings eine kurze Zusammenfassung der körperlichen Merkmale des Auerochsen geben; zumindest die farblichen mögen vielen vielleicht gut bekannt sein, allerdings denke ich dennoch, es ist wichtig diese anzuführen. Das Aussehen des Auerochsen ist einerseits durch hervorragende Skelettfunde, historische Berichte sowie zeitgenössische Darstellungen gut bekannt. Auerochsen waren, wie alle Wildrinder, sehr athletisch, langbeinig (die Schulterhöhe war ungefähr genauso lang wie die Rumpflänge), hatte einen großen Schädel sowie eine sehr kräftige Nacken- und Schultermuskulatur (die Dornfortsätze im Schulterbereich der Bullen sind nicht sehr viel kürzer als bei Wisents). Die Hörner des Urs waren massiv und an der Wurzel nach außen-oben, dann nach vorne-unten und schließlich nach innen-oben gekrümmt, bei den Stieren war diese Krümmung stärker ausgeprägt und die Hörner insgesamt größer. Die Schnauze des Auerochsen war um einiges länger als bei seinen domestizierten Varianten, auch waren die Augen kleiner, dafür jedoch die Augenhöhlen bei den Stieren wesentlich prominenter (zum Schutz bei Kommentkämpfen). Eindeutig zeigen Hausrinder wie viele andere domestizierte Tiere craniale Paedomorphie. Der Euter war selbst bei gerade säugenden Ur-Kühen kaum sichtbar, wie es bei anderen Wildrindern ebenfalls der Fall ist.
    Dass männliche Auerochsen sehr dunkel braun bis schwarz mit weißen Aalstrich versehen, sowie die Kühe rotbräunlich, waren, dürfte allgemein bekannt sein. Ebenso, wie die weiß umrandeten Mäuler. Ein Merkmal, welches dem Auerochsen beinahe immer zugesprochen wird, blonde Stirnlocken, sind jedoch eine uneindeutige Sache – hier widersprechen sich historische Information und Parsimonie: historische Darstellungen und Berichte erwähnen keine besondere Farbe der Stirnlocken, während sie bei primitiven Hausrinderrassen und anderen Wildrindern fast immer hell gefärbt sind. Genetische Untersuchungen müssten diese Frage klären.

    Unterstützend zeige ich nun Photomanipulationen, welche ich mit einem Kampfstier und einer Pajuna-Kuh gemacht habe, welche wohl einen akkuraten Eindruck vom Aussehen des Auerochs vermitteln dürften.

    http://farm8.staticflickr.com/7170/6453007175_942cef3596_b.jpg

    Stier

    http://farm7.static.flickr.com/6088/6041979263_0cd1368890_z.jpg

    Kuh

    Diese sehr gelungene Nachbildung ist ausgestellt im dänischen Jagdmuseum:

    http://i54.tinypic.com/2jeplyt.jpg


    Warum Heckrinder als Auerochsen-Ersatz unzureichend und ungeeignet sind

    Wenn es darum geht, ausgerottete Wildformen zu ersetzten, so sollten folgende Kriterien beachtet werden:

    • Erfüllt der Ersatz die selbe ökologische Nische?
    • Ist der Ersatz im selben Maße im Stande, mit der Umwelt zurecht zu kommen (Krankheiten, extreme Wetter, Raubtiere etc.)?
    • Damit zusammenhängend: Ist der Phänotyp geeignet, d.h. dem der Wildform entsprechend?

    Man ist sich einig, dass der beste Ersatz für den Auerochsen logischerweise ein Tier ist, welches diesem so weit wie möglich entspricht.

    Vom Heckrind wird oft als „beinahe perfekte“ „Rückzüchtung“ gesprochen, „nur die Größe“ sei noch nicht ganz erreicht. Dieses soll ein Beispiel für Dedomestikation, die Umkehrung der Domestikation, sein. Nun werde ich ausführen, warum dies ganz und gar nicht zutrifft.

    In den 1920ern hatte man wesentlich schlechtere Mittel und wesentlich geringeres Wissen als heutzutage zu Verfügung. Die Problematik beginnt damit, dass die Hecks keine genaue Vorstellung davon hatten, wie der Ur genau aussah, und ihre Annahmen sind heute teilweise als falsch zu betrachten. Weiters war die Auswahl der von ihnen als ursprünglich erachteten Rinderrassen sehr schlecht, so findet sich heute im Heckrind ein hoher Anteil an Ungarischem Steppenrind, Anglerkühen, Niederungsrindern und anderen ungeeigneten vergleichsweise hochgezüchteten Rassen, während jener von Spanischem Kampfrind und Schottischem Hochlandrind, welche mit heutigen Mitteln als geeignet bestätigt werden können, eher gering ausfällt. Das Resultat wurde nach rund 10 Jahren Kreuzungszucht bereits als „neuer Auerochse“ gepriesen. Im nächsten Absatz führe ich aus, warum es für dieses Etikett keine Berechtigung gibt. Anzumerken ist auch, dass sämtliche heutige Heckrinder unglücklicherweise der Münchner Linie entstammen, während die erloschene Berliner Linie vielleicht besser geeignet war.

    Der Phänotyp der allermeisten Heckrinder unterscheidet sich im Grunde genommen kaum von dem anderer Hausrinder – weder sind die Beine sonderlich lang, noch ist der Schädel groß oder sind die besonders stark ausgeprägte Schulter- und Halsmuskulatur zu erkennen. Der athletische Körper des Urs ist bei den meisten Heckrindern nicht erreicht, nicht einmal bei den wildlebenden in Oostvaardersplassen; einzig bei jenen, welche einen größeren Anteil am Kampfrind aufweisen. Die Hörner sind meist „lyre-shaped“, das heißt nach oben-außen gebogen, so wie sie auch bei vielen anderen Hausrindern zu finden sind (etwa Steppenrind etc.). Der Schädelbau ist so paedomorph wie bei den meisten anderen Rassen. Die Euter der Kühe sind eine Spur bis viel zu groß, geht das Heckrind doch zu einem großen Teil auf Milchrassen zurück.
    Der anfänglich gute Sexualdimorphismus ist bei den meisten Heckrindzüchtungen beinahe oder gänzlich verschwunden, die Kühe sind oft nachtschwarz.
    Ähnlichkeiten des Heckrinds mit dem Auerochsen betreffen alleine einige Aspekte der Färbung, doch auch hier gibt es Unstimmigkeiten, so zeigen viele Heckstiere einen Sattel, welcher bei Uren wahrscheinlich nicht vorkam. Auch sind die Stirnlocken bei Heckrindern meist eher gerade Fransen.

    Da man nur aufgrund phänotypischer Information selektierte, driftete der Genotyp in eine unbestimmte Richtung. Mehr dazu später. Wenn man sich die Ausgangsrassen ansieht, ist es für mich ein Wunder, dass die Ähnlichkeiten in der Färbung überhaupt erreicht wurden.
    Man mag nun einwenden, dass Heckrinder vielerorts noch selektiv gezüchtet werden um ihr Aussehen an den Ur heranzuführen. So hat Walter Frisch ohne Frage eine sehr interessante Zucht, welche in einzelnen Merkmalen, etwa der Hornform, dem Auerochsen einigermaßen entspricht. Doch es passen dennoch etliche Aspekte nicht, und diese Methode, welche nur auf den Phänotyp achtet, kann bestenfalls nur ein optisches Imitat hervorbringen, eine Abbildzüchtung.
    Die Verbesserung der Heckrinder mittels Mittelmeerrassen, wie sie von Margret Bunzel-Drüke und Co. versucht wird, die Taurusrinder, sind ebenfalls nur oberflächliche Imitate. So verwendet man etwa die Chianina, um Größe hinzuzufügen, welche jedoch nur diese Größe aufweisen, da sie über lange Zeit für dieses Merkmal selektiert wurden, und nicht weil sie in dieser Hinsicht primitiv sind. Und wieder ist die Auswahl der Rassen nicht ideal, es wird sicherlich noch sehr viele Generationen dauern, bis die Taurusrinder eine gewisse phänotypische Ähnlichkeit mit dem Auerochsen erreicht haben.

    Ein weiterer Grund, welcher Heckrinder als Ersatz für den Auerochsen in der Wildnis ungeeignet macht, ist die große Heterogenität der Rasse. Verschiedene Züchtungen haben verschieden große Anteile der einzelnen Mutterrassen. Offensichtlich wurde während der Kreuzungszucht der Hecks kein einziges Exemplar für unzureichend für die Weiterzucht befunden, folglich sind die Allele aller verwendeten Rassen im Heckrind noch vorhanden, und „springen“ mitunter hervor. Graue oder beige Heckrinder sind keine Seltenheit, und in der Natur werden diese Exemplare nicht wegselektiert, sondern vermehren sich höchstwahrscheinlich weiter. So gibt es in Oostvaardersplassen teilweise sogar schwarzbunte Heckrinder, weil die Färbung des Niederungsrindes zur Ausprägung kommt! Auch in sehr fortgeschrittenen Züchtungen wie jene von Walter Frisch ist der Anteil an unbrauchbaren Individuen anscheinend groß, wenn ich mir die zu Verkauf stehenden Rinder auf seiner Seite ansehe (http://www.aueroxen.de/). Also sind selbst diese Heckrinder nicht geeignet, wild als angemessener Auerochsen-Ersatz zu fungieren. Der Genotyp passt einfach nicht, weil schlechte Ausgangsrassen verwendet wurden und nur oberflächlich und unzureichend selektiert wurde, daher ist vieles nicht gelungen.

    Oft wird behauptet, das Heckrind habe durch die „Zusammenfügung der alten Gene“ eine besondere Robustheit und auch Wildheit im Verhalten erlangt. Die Robustheit, also Widerstandsfähigkeit gegen Kälte und Krankheiten, kommt sicherlich von den Rassen, aus denen es gezüchtet wurde (wie etwa dem Schottischen Hochlandrind oder dem Ungarischen Steppenrind). Denn es sind heute noch viele Rinderrassen im Stande, unter widrigen Bedingungen gut zurecht zu kommen, da sind die Heckrinder nur ein Beispiel unter vielen. Ich bin mir sicher, dass die von Heinz Heck beschriebene „Wildheit“ der Heckrinder sich aus der Haltungsform ergibt. Wenn sie mit vergleichsweise wenig Kontakt mit dem Menschen aufwachsen (und sie wurden und werden ja wie Zootiere oder halbwild ganzjährig frei gehalten), werden es sicherlich keine Streicheltiere. Die Einkreuzung des Kampfrindes wird auch kaum zusätzliche Zahmheit bewirkt haben.

    Viele Mythen ranken sich um das Heckrind, beinahe schon mehr als um den Ur, doch diese halten kritischer Evaluation nicht stand. Ich schließe mich voll und ganz Herre 1953 an, welcher das Heckrind als wissenschaftlich wertlose Kreuzungszucht aus Hausrinderrassen bezeichnet. Es entspricht nur in wenigen Merkmalen dem Auerochsen, und das, wie ich später ausführe, zu einem geringeren Grad als manch andere Rassen. Darauf zu hoffen, dass natürliche Selektion wilde Heckrinder an den Auerochsen heranführen wird, ist im heutigen raubtierarmen Europa meist illusorisch und würde einen sehr, sehr langen Zeitraum in Anspruch nehmen.

    Sind die Heckrinder nun im Stande, in ihrer Umwelt genauso zurecht zu kommen wie seinerzeit der Auerochse? Dies ist fraglich, war der Auerochse mit seiner Anatomie doch darauf ausgerichtet, Löwen, Hyänen und Wölfe in die Flucht zu schlagen. Jedoch ist diese Raubtierbedrohung auf dem größten Teil des heutigen Europa nicht mehr gegeben.
    Da der Mensch durch die Domestikation des Rindes nur äußerliche Merkmale, und nicht den Verdauungsapparat und andere innere Gegebenheiten veränderte, würden alle heutigen Hausrinder theoretisch die selbe Rolle wie ihr wilder Vorfahre erfüllen. Untersuchungen haben gezeigt, dass von allen Rassen etwa die Hochlandrinder die beste „grazing performance“ zeigen. Alleine von diesem Standpunkt aus betrachtet, wäre es doch ausreichend, europaweit Hochlandrinder als Auerochsenersatz zu verwenden. Ich kann mir vorstellen, dass dies für die Meisten wohl sehr unbefriedigend ausfallen würde. Ich bin des weiteren der Meinung, dass die Schaffung eines Rindes, welches dem Auerochsen so weit wie möglich entspricht, auch in gewisser Weise ein Beitrag zur Arterhaltung ist.

    Fazit: Das Heckrind sollte in keiner Weise mit dem Auerochsen assoziiert werden. Es handelt sich um eine Hausrinderrasse, die höchstens alleine in der Färbung Ähnlichkeiten mit diesem aufweist. Es gibt weitaus besser geeignete Rassen. Die Schaffung eines dem Ur in jeder Hinsicht entsprechendem Rindes ist ohne Frage die beste Option als Ersatz für das ausgerottete Wildrind.


    Das TaurOs Project

    Das TaurOs Project hat sich genau dies zur Aufgabe gestellt (http://taurosproject.com/). Dem Projekt gingen jahrelange Forschung voraus, unter anderem war Cis van Vuure beteiligt (welcher das wohl beste Werk zum Auerochsen verfasst hat, siehe Quellen). Der Manager ist Henri Kerkdijk-Otten, welcher auch Initiator eines ähnlichen Projektes um den Tarpan ist. Das TaurOs Project ist im Übrigen nicht mit den Taurusrind-Versuchen zu verwechseln!
    Das TaurOs Project will ein Rind, welches dem Auerochsen in genetischer, phänotypischer und ökologischer Hinsicht sowie vom Verhalten her so weit wie möglich entspricht. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Versuchen ist, dass man genetische Information nützt – denn stimmt der Genotyp, wird der Rest auch die Erwartungen erfüllen. Im wesentlichen versucht man, die ursprünglichen Gene in heutigen Rinderrassen ausfindig zu machen und sie in einer Zucht zu vereinigen. Man hat daher etliche Rassen genetisch getestet, und die am besten geeigneten werden für diese Zucht verwendet (unten vorgestellt). Das nukleare Genom des Auerochsen ist noch nicht vollständig rekonstruiert, doch das ist der nächste Schritt.
    Verwendet werden:

    - Sayaguesa
    - Pajuna
    - Maremmana primitivo
    - Schottisches Hochlandrind
    - Tudanca
    - Limanina
    - Italienisches Podolica

    Die meisten dieser Rassen sind recht groß, zeigen ansatzweise Sexualdimorphismus und ähneln dem Auerochsen in vielerlei Hinsicht. Jede einzelne dieser (mit Ausnahme des puncto Robustheit sehr gut geeigneten Hochlandrinds) hat einen Phänotyp, welcher den des Heckrinds um Welten übertrifft und steht dem Ur auch genetisch wesentlich näher. Das Problem ist, dass sie meist wenig wirtschaftlich und daher im Verschwinden begriffen sind. Die Verwendung des Tudanca beschränkt sich auf eine einzige Kreuzungskuh, da dieser Rasse das Allel für rote Fellfarbe fehlt.

    Das Projekt wurde letztendlich 2009 in den Niederlanden gestartet. Man will auch in anderen Ländern solche Kreuzungsherden aufbauen und diese so schnell wie möglich im Rahmen des European Rewilding Program in die Wildnis entlassen. Die dieses Mal wissenschaftlich ausgiebig vorbereiteten Ansätze versprechen, dass hier vergleichsweise schnell ein dem Ur sehr ähnliches, und nach einiger Zeit, beinahe gänzlich entsprechendes (soweit man das heute noch beurteilen kann) Rind gezüchtet wird. Zitat Henri Kerkdijk-Otten:

    „The nuclear dna or genome of the aurochs still has to be reconstructed, but we are working in this. However, we know a lot about the aurochs and those traits are laid down in the genome, so if it looks like an aurochs and if it behaves like an aurochs... etcetera. It is kind of like reversed engineering untill we have a complete genome.
    I think it is possible. It will however take a long time to achieve (near) 100 percept perfection. But... the genes were never lost, we just have to puzzle to get the right genes in the right combination.
    By that time {2020}, we will have gotten very, very far. It will take decades to construct a synthetic breed, but we will be very far. We have an F1 that looks really good and when crossbred right, his offspring will resemble the aurochs to a large extend.“

    2010 wurden die ersten F1-Kälber geboren. Folgende Kreuzungsindividuen hat man bislang:

    Maremmana x Pajuna (Bild von http://www.3ml.nl/)

    http://www.3ml.nl/site/html/ttv/fotos/2011915142340.jpg

    Hochlandrind x Tudanca x Sayaguesa (hinter dem Maremmana, vor den Hochlandrindern) Bild von Panoramio-Nutzer "fcvdhelm": http://www.panoramio.com/photo/51632599

    http://mw2.google.com/mw-panoramio/p…um/51632599.jpg

    Hochlandrind x Podolica

    Hochlandrind x Maremmana x Hochlandrind


    Diese beiden Bilder zeigen den Maremmana x Pajuna-Jungbullen (oben), welcher bereits größer als die Hochlandrinder ist, und die Hochlandrind x Tudanca x Sayaguesa-Kuh (darunter). Ich bin sehr gespannt, wie die F1-Generation aussehen wird, wenn sie voll ausgewachsen ist.

    Mit dem TaurOs Project hat der Auerochse eine reelle Chance, in sehr ähnlicher Form wieder durch die europäischen Naturlandschaften zu streifen,aber:

    Man muss die Informationen verbreiten – man muss verbreiten, warum das Heckrind (und das Taurusrind) kein geeigneter Auerochsenersatz sind (sicherlich, sie erfüllen wie alle Hausrinder die Nische ausreichend, doch sie sind kein Beitrag zur Restauration dieses Wildrindes) um die inflationäre Verwendung dieser Hausrinder in Landschaftspflege- und Naturschutzprojekten einzudämmen; man muss verbreiten, dass die Erhaltung der vorgestellten Primitivrassen wichtig ist, um ein Aussterben des Auerochsen wenigstens auf genetischer Ebene zu verhindern; und man muss verbreiten, dass sich die Dinge mit dem TaurOs Project in eine richtige Richtung entwickeln.


    Lasst die Hausrinder auf der Koppel! Heckrinder sollten keinesfalls in der Wildnis etabliert werden

    Mit dieser Überschrift möchte ich etwas wichtiges verdeutlichen. Heck-/Taurusrinder werden in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender Häufigkeit in Landschaftspflege- und Naturschutzprojekten, Nationalparks (Unteres Odertal, Bayrischer Wald, Hortobagy) eingesetzt.
    Warum diese kein Beitrag zur Restauration des Wildrindes sind, habe ich bereits ausgeführt. Dies ist an sich noch nicht schlimm, solange sie in Privatbetrieben und Tiergärten bleiben. Wenn sie jedoch in Renaturierungsprojekten verwendet werden, so ergibt sich das Problem, dass damit ein geeigneter Platz für eine gelungene Rückzüchtung abhanden kommt. Weitaus problematischer wird es, wenn diese Hausrinder tatsächlich wild angesiedelt werden, wie es in Oostvaardersplassen der Fall ist. Dort leben bereits um die 600 Heckrinder, wenn das Gebiet für Wildkorridore geöffnet wird, haben diese jeder Zeit die Möglichkeit, sich mit den mühsam und wissenschaftlich gezüchteten TaurOs-Ochsen zu vermehren und die Arbeit zu Nichte zu machen. Das wäre desaströs. Die 1000 Konikpferde, deren Genuinität hinsichtlich des Tarpans anzuzweifeln ist, sind ebenso eine Gefahr für die Restauration des Wildpferdes. Alle diese Tiere zu Keulen wäre absolut unethisch und wahrscheinlich auch nicht umsetzbar. Ich bin deshalb der Meinung, dass Oostvaardersplassen ein nettes Pilotprojekt ist, und uns noch einiges über den Einfluss der Megaherbivoren auf die Landschaftsentwicklung verraten kann, aber ich hoffe zutiefst, dass das Gebiet geschlossen bleibt.

    Ich plädiere daher ausdrücklich dafür, die Verwendung der Heckrindern in Naturentwicklungs zumindest nicht weiter auszudehnen, und auf besser geeignete Zuchtresultate zu warten und diese dann auf jeden fall mit jenen zu ersetzen. Natürlich unter der Annahme, dass die Restauration des Auerochsen im Interesse dieser Projekte liegt.
    Auch ist schwer zu hoffen und zu beten, dass keine der Rewilding-Organisationen das Heckrind oder andere Hausrinder verwendet.

    Weiters möchte ich mich aber noch ausgiebig einem Punkt, welcher das Heckrind für die Verwendung im Naturschutz mit authentischer Großtierwelt zum ziel ungeeignet macht, widmen - nämlich der enormen Heterogenität der Rasse. Heckrinder sind sehr uneinheitlich, in wesentlich höherem Maße als andere Haustierrassenund sehr viel mehr als jedes Wildtier. Nicht nur weisen einige Zuchtlinien mehr, und andere sehr viel weniger Ähnlichkeit mit dem Auerochs auf, auch wird von Seiten der Heckrinderfreunde zugegeben, dass "Rückschläge" "mitunter" auftreten. Nach all meiner Recherche - und ich habe mittlerweile hunderte Bilder und duzende Videos von Heckrindern aus verschiedensten Standorten gesehen - kann ich sicher behaupten, dass diese "Rückschläge" (das heisst, Merkmale, die so weit vom Auerochsen weg sind, dass sie auch nicht am echten Auerochsen interessierten Heckrinderzüchtern auffallen) ganz und gar keine Seltenheit sind. Nicht wenige Individuen weisen einen deutlichen Graustich, oder überhaupt eine beige Färbung auf, oftmals sind die Bullen selbst rötlichbraun (oder haben meist zumindest einen derart gefärbten Sattel), oder die Kühe schwarz. Auch sind weiß gescheckte Zeichnungen mitunter vorhanden, welche von der sinnfreien Einkreuzung des Niederungsrindes herrühren (in Hortobagy begeht man diesen Fehler unberechtigterweise gerade ein zweites Mal, dieses Mal mit Holstein-Friesiern). Dies waren fellfarbliche Merkmale, für der Körper- und Hornform ist kaum eine Ausführung notwendig, da diese Merkmale, wie bereits im ersten Post dargelegt, ohnehin beinahe nie wirkliche Ähnlichkeit mit dem Auerochsen aufweisen. Aber noch einmal: Die Proportionen des Heckrindes unterscheiden sich meist kaum von denen anderer Hausrinder, auch wenn einige langbeinig aussehen (was sich übrigens teilweise aus der Haltungsform ergibt - das kann jeder, der schon einmal Fleckvieh auf einer Almweide gesehen hat, bestätigen und auch die Hecks schreiben dies selbst in ihren Zuchtbüchern).

    Hier nun ein paar Beispiele für die vielen Exemplare, welche "aus der Reihe tanzen":

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…x-Heckrund2.JPG
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…uerochse-02.jpg
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…Cattle_0033.jpg
    Bilder von Wikipedia commons.
    http://www.biofaan.com/data/media/177/dsc_65848.jpg
    http://www.biofaan.com
    http://www.dijksterhuis.net/blog/wp-conten…3.3.10-1272.jpg
    http://www.dijksterhuis.net

    Ich glaube, würde man diesen Exemplaren auf einer Weide ohne irgendeinem Hinweis begegnen, würde niemand auf die Idee kommen, sie mit dem Auerochsen zu assoziieren. Solche Tiere sind weiss Gott nicht selten, eine Google-Suche nach "Heckrund Oostvaardersplassen" (auf niederländisch bekommt man logischerweise wesentlich mehr Resultate) illustriert sehr schön, dass in der "Wildnis" niemand diese Tiere an der Fortpflanzung hindert. Dementsprechend wird in den Oostvaardersplassen der Anteil "unerwünschter" Exemplare immer größer, weil die Wildfarbe ist ja nur eine Möglichkeit, wie ein Heckrind aussehen kann. Andere phänotypische Aspekte sind kaum einer Erwähnung wert, da sie, wie bereits ausgeführt, beimh Heckrind ohnehin fast nie stimmen. Ich wäre sehr interessiert an einer Studie, welche in 10 Jahren die Heterogenität der Heckrinder in Oostvaardersplassen evaluiert.
    Aber aber, in Oostvaardersplassen entscheidet ja jetzt die Natur, wer überlebt, nicht? Diese Dedomestikation wird das Heckrind ja an den Auerochsen heranführen, nicht? So zumindest von Seiten der Heckrindbefürworter. Erstens sind die Oostvaardersplassen keine Wildnis, sondern eine aufgegebene Kulturlandschaft, deren größtes Raubtier der Rotfuchs ist. Nicht die Natur bestimmt, wer umkommt, sondern aufgrund der hohen Herbivorendichte (1000 Pferde, 500 Rinder) bietet die Landschaft nicht allen genug Nahrung im Winter (es wird nicht zugefüttert), und um unnötiges Leid zu verhindern, werden die schwächsten Rinder und Pferde geschossen oder sie verhungern. Jaja, Bullenkämpfe entscheiden, wer sich fortpflanzt, aber das ist bei Kampfstieren seit Jahrhunderten so. Weiters sehe ich keinen Grund, warum farbliche Merkmale wie ein weiß umrandetes Flotzmaul oder ein Aalstrich höhere Fitness für das Rind bedeuten sollen. Es stimmt schon, hoher Raubtierdruck würde die langbeinigeren, kräftigeren, muskulöseren Rinder mit größeren, nach vorne gerichteten Hörnern bevorzugen. Doch um das zu erreichen, muss man die Rinder nicht nur einer erwähnenswerten Zahl von Wölfen, sondern auch Großkatzen aussetzen (der Auerochse entstand durch Selektionsdruck durch überwiegend diese Raubtiere). Nicht nur ist dieses Konzept illusorisch, sondern würde auch einen extrem langen Zeitraum in Anspruch nehmen und die Idee wird schon dadurch ebenso lächerlich, wenn man bedenkt, dass durch wenige Generationen Zucht mit den richtigen Rassen sicherlich sogar bessere Resultate erzielen werden können.

    Nun widmen wir uns "Durchschnitts-Heckrindern". Wie bereits ausgeführt, ist von ihrer Färbung abgesehen kaum ein körperliches Merkmal des Heckrinds authentisch. Dies kann man exzessiv im Detail ausführen, doch ich denke, es gestaltet sich einfacher, wenn man sich Bilder verschiedener Heckrinder ansieht und mit den jeweiligen Ausgangsrassen vergleicht.

    Aber warum geht es hier nur um den Phänotyp? Sind nicht Merkmale wie Robustheit und Krankheitsresistenz viel wichtiger? Ja, an sich ist das völlig richtig. Es ist allerdings einer der vielen "Heck-Mythen", dass einzig das Heckrind resistent gegen die meisten Hausrinderkrankheiten und Robust genug, um in der Wildnis zu überleben, wäre. Es gibt in der Tat etliche domestizierte Rinder, welche sich in der Natur gut behaupten können. So leben verwilderte Rinder im Donana-Nationalpark oder auf den Orkney-Inseln, es gibt wilde Texas Longhorns, nicht zu vergessen die Chilingham-Rinder - welche seit 700 Jahren mehr oder weniger vom Menschen unberührt leben -, Kampfrinder und einige andere iberische Primitivrassen leben ganzjährig frei, mitunter so gut wie wild, und kommen mit der schlechten Nahrung und den Wetterbedingungen seit Jahrhunderten bestens klar. Weiters werden s. Hochlandrinder, u. Steppenrinder, Galloways und andere in Beweidungsprojekten genauso erfolgreich wie Heckrinder eingesetzt. Es gibt also auch ökologisch keinen Grund, nur auf das Heckrind zu setzen; im Gegenteil - phänotypisch wesentlich besser geeignete Rassen würden mit dem selben Erfolg (oder besserem, wenn man Primitivrassen mit authentischerer Körpergröße, Statur und Hornform bessere Durchsetzungsfähigkeit gegen Raubtiere zumutet) als großer Graser fungieren.


    Nun zum Auerochsen und tatsächlich ursprünglichen Rindern

    Damit wir vor lauter Heckdackeln in diesem Beitrag nicht vergessen, wie ein echter Auerochse (wahrscheinlich) aussehen soll, habe ich hier wieder zwei Rekonstruktionen, vom Künstler Tom Hammond (phan-tom.deviantart.com):

    http://img62.imageshack.us/img62/8338/aurochs92411copy.jpg
    http://img10.imageshack.us/img10/7563/88961620.jpg

    Was macht eine zur Rückzüchtung geeignete Primitivrasse aus?

    Für viele ist ein Rind anscheinend schon ein halber Auerochse, wenn es einige farbliche Charakteristika der Ure aufweist. Es sei jedoch gesagt: die Fellfarbe ist noch das wenigste. Viel entscheidender ist der Körperbau im Allgemeinen. Viele versuchen ja, eine Schwarzweiß-Trennung zwischen Phänotyp und ökologischer Eignung zu machen – nach dem Motto „Nur weil es nicht so aussieht wie ein Ur, heißt das nicht, dass das Rind nicht so fungieren kann“ und „Nur weil es aussieht wie ein Ur, heißt das nicht, dass es sich im selben Maße wie andere Robustrinder in der Wildnis behaupten kann“. Diese Schwarzweiß-Trennung funktioniert allerdings nicht, da die Konstitution des Phänotyps viel über die Funktionalität eines Tieres bestimmt. Etwa die Behändigkeit und Schnelligkeit auf der Flucht oder im inter- und intraspezifischen Kampf und damit die Durchsetzungsfähigkeit gegen Raubtiere. Die genaue Größe, Krümmung, Dicke und Orientierung der Hörner entscheidet ebenfalls über die Funktionalität dieses Körperteils in Kommentkämpfen und der Verteidigung gegen Raubtiere – es hatte schon einen Grund, warum natürliche Selektion die Hörner der Ure auf eine bestimmte Form getrimmt hat. Die Länge der Schnauze und der Schädelbau (Stärke der Kiefer etc.) steht in Zusammenhang mit der Effizienz des Grasens. Größe ist ein wichtiger biologischer Faktor, weil er Nährstoffbedarf, Energieverbrauch und auch Verteidigungsfähigkeit bestimmt.
    Versuche, phänotypische Ungereimtheiten des Heckrinds als Kosmetik abzutun, entbehren sich folglich einer fachlichen Grundlage.
    Ein „korrekter“ Körperbau ist allerdings nicht nur für die Funktionalität eines Auerochsenersatz in der Wildnis wichtig, sondern auch um eine andere Zielsetzung (welche ursprünglich auch die der Hecks war und der Heckrinderzuchtvereine ist, wenn jedoch über die zahlreichen phänotypischen Unzulänglichkeiten des Heckrinds diskutiert wird sich schnell ins Mauseloch der „ökologischen Eignung ist einzig entscheidend“-Dogmatik verkrochen wird) zu erfüllen: Nämlich, um ein authentisches Bild des Vorfahren unseres so vertrauten Hausrindes und einer „wiederhergestellten Natur“ mit wiedereingeführten Großtieren zu bieten. Hierzu müssen auch noch alle Aspekte der Färbung sowie des Sexualdimorphismus passen. Letzteres ist meiner Meinung ein besonders wichtiger Teil der Biologie des Urs.

    Ich werde nun einige der besten Primitivrassen vorstellen und ihre phänotypischen, genotypischen und ethologischen Vor- und Nachteile als Auerochsenersatz (bzw. genauer, die Nützlichkeit für die Züchtung eines solchen) gegeneinander abwiegen.

    Lidia, das Spanische Kampfrind, hat einen Phänotyp welcher in allgemeiner Körperform und Proportionen dem des Auerochsen mitunter deutlich nahe ist. Vorallem ihre athletische Statur (mit oft allerdings zu kurzen Beinen) mit der gebogenen Schulterlinie und der schlanken Taille erinnert sehr an ein Wildrind:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/9…ke-Harrison.jpg
    Bild von Wikipedia uploads.

    Viele Kampfrinder auch sehr Ur-artige Hörner v.a. bezüglich der Krümmung. Der Geschlechtsdimorphismus ist gut ausgeprägt, mitunter auch in der Farbe. Das weiße Maul und der Aalstrich sind oft verloren, doch könnten mit wenigen Kreuzungen wieder eingebracht werden. Aufgrund des kleinen Genpools, welcher teilweise auch mit Genen hochgezüchteter Rassen durchsetzt ist, der hohen Aggressivität des Kampfrindes sowie der geringen Körpergröße ist diese Rasse jedoch wenig für eine ernsthafte, wissenschaftliche Auerochsen-Rückzüchtung geeignet.


    Sayaguesa ist eine Rasse, dessen Körperbau sich vor allem durch die geschwungene Rückenlinie, den großen Schädel mit langer Schnauze, lange Beine und deutlichen Geschlechtsdimorphismus bzgl. des Körperbaus auszeichnet. Farblich ist dieser jedoch stark reduziert, die Kühe sind oft sehr dunkel (haben jedoch nicht das Schwarz der Bullen), was bedeutet, dass durch Kreuzung für die Kühe dieser Rasse entsprechende Dillutions-Gene, welche das „abdunkeln“ der Fellfarbe eindämmt, notwendig sind – diese können durch andere Primitvrassen geholt werden. Sayaguesa hat weiterhin auerochsenartige Hörner und farbliche Charakteristika wie den Aalstrich bei Bullen, ein helles Flotzmaul und mitunter auch die wildrindertypischen hellen Ohrmuschelinnenseiten:

    http://www.petervonburg.ch/rinder/sayaguesa/fotos/1.jpg
    Bild von Peter von Burg: http://www.petervonburg.ch
    http://www.silomana.es/wp-content/upl…el-proyecto.jpg
    http://www.silomana.es

    Pajuna zeichnet sich vor allem durch ihre Langbeinigkeit, die athletische Körperform (siehe Bild aus erstem Post), die lange Schnauze und ihre beachtliche Größe aus, welche mit 160 – 170 cm Widerristhöhe bei Bullen und etwa 140 cm bei Kühen an die Dimensionen des Urs heranreicht. Auch farblich ist der Dimorphismus deutlich ausgeprägt, man kann dieses Rind ohne weiteres als wildfarben bezeichnen (erstes Bild mit Stier und Kuh, zweites mit Stier):

    http://www.laserranianatural.com/wp-content/upl…n-la-algaba.JPG
    Photo von A. Rodriguez, wwww.laserranianatural.com
    http://94.100.116.134/590150001-5902…187_6_V86u.jpeg
    Bild von Stichting Taurus. http://www.stichtingtaurus.nl

    Manche Pajuna-Bullen weisen jedoch einen Sattel auf, welcher wiederum durch Kreuzung schnell verschwinden kann, wie der Maremmana primitivo x Pajuna-Kreuzungsstier von TaurOs Project beweist.


    Maremmana primitivo ist der primitive Phänotyp des Maremmana, welches den destruktiven Einfluss des Steppenrindes nicht oder kaum hat. Die Proportionen dieses Rindes sind ebenfalls auerochsenartig und der Körper athletisch (siehe Bild erster Post), auch weist diese Rasse deutlich die Stirnlocken des Ur auf. Farblich unterscheiden sie sich durch das Fehlen des Allels für den Rotanteil in der Fellfärbung sowie einen Sattel, was durch Kreuzung schnell beseitigt werden kann, wie selbiger Kreuzungsstier beweist.

    http://94.100.120.171/590150001-5902…452_6_dX1M.jpeg
    Photo von Henri Kerkdijk-Otten

    Ein Nachteil des Maremmana primtivo ist, dass die Hörner stark nach oben orientiert sind und eine sehr schwache Krümmung haben. Der Kreuzungsstier weist jedoch bereits nach vorne orientierte Hörner auf, und dann dürfte sich die Dicke und Länge der Maremmana-primitivo-Hörner sehr positiv auswirken.


    Die Rasse Tudanca hat einige gute Eigenschaften, wie den deutlich ausgeprägten „Buckel“ bei Stieren und Kühen, eine auerochsenartige (wenn auch recht massive, was durch Kreuzung schnell wett gemacht wird) Körperform mit Dimorphismus mit bulligem Schädel bei den Bullen sowie die Stirnlocken.

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…llHeathland.JPG
    Bild von Wikipedia.

    Nachteile des Tudanca sind einerseits das Fehlen des Rot-Allels, sowie die mitunter stark nach außen gedrehten Hörner.


    Das Schottische Hochlandrind mag auf dem ersten Blick nicht viel mit dem Ur gemeinsam haben, doch ist ihre Verwendung aus verschiedenen Gründen vorteilhaft. Zum einen sind diese Rinder sehr robust und ökologisch gut geeignet, mit dem rauen Klima Nordeuropas auszukommen. Weiters hat diese Rasse aufgrund ihrer Häufigkeit einen gesunden großen Genpool. Entsprechend ihrer Variabilität finden sich zwar Hornformen, welche nichts mit dem Auerochs zu tun haben, aber auch welche, die für die Rückzüchtung brauchbar sind (der von mir verlinke, etwas monströs aussehende, Bulle hat eine sehr gute Hornkrümmung und –größe). Ihre Massigkeit kann durch Kreuzung mit hochbeinigeren Rassen schnell behoben werden.

    http://www.highlandcattleworld.com/images/Folds/D…nbjerg/bull.jpg
    http://www.highlandcattleworld.com
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…nd-cattle_1.jpg
    Bild von Wikipedia.

    Das lange Fell der Hochlandrinder zwingt sie im Sommer, Kühlung im Wasser aufzusuchen und verfilzt mit Kletten leicht. Allerdings ist das lange Fell schnell weggekreuzt. Es gibt dunkle und helle Hochlandrinder, dies stellt jedoch keinen Geschlechtsdimorphismus dar.


    Eine besonders auerochsenartige Rasse ist Maronesa. Diese Rinder weisen guten Geschlechtsdimorphismus, oft eine authentische Farbe, athletische Körperform (mit schlanker Taille, auch bei Kühen – was ein Wildmerkmal ist und sich nicht auf die Geburtsfähigkeit auswirkt) und auch eine gute Hornkrümmung auf. Mehr über diese (ich verspreche, faszinierenden) Rinder wird später noch gepostet.

    http://autoctones.ruralbit.com/imagens/242_2.jpg
    http://www.alagoa.net/uk/images/animal.jpg

    Auch interessant ist es, diese Rinder in Bewegung zu sehen. Es handelt sich um eine sehr schnelle und agile Rasse, was an ein Wildtier erinnert und dem Auerochs entspricht.

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    Es gibt noch eine größere Zahl an Primitivrassen, über die ich jedoch nicht so viel im Detail weiß oder welche nicht derart von Relevanz für Auerochsenrückzüchtung (zumindest des europäischen Urs) sind.

    Sehr interessant ist auch dieser italienischer Podolica-Bulle, welcher bei 4:41 mit einem sehr auerochsenartigen Körper (langbeinig, athletisch, geschwungene Rückenlinie mit Schulterbuckel) und in Wildfarbe vorbeispaziert:

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    Hier sind noch ein paar Beispiele, von Rindern, welche sich wie alle Primitivrassen, und ein großer Teil der Rinderrassen allgemein, problemlos in der Wildnis ohne Menschen behaupten können. Betizu (oben) und Camargue (darunter):

    http://www.festejospopulares.es/Reportajes/Betizu/Betz26.jpg
    http://www.festejospopulares.es
    http://www.longomai.com/gTORO_grd.jpg
    http://www.longomai.com

    Diese Rassen leben völlig wild und vor allem der Betizu-Stier hat einen Körperbau mit einigen Eigenschaften des Urs.

    Wie vielleicht allgemein bekannt sein dürfte, leben Kampfrinder oft so gut wie wild in eigenen Beweidungsarealen, ohne beinahe irgendeinen menschlichen Einfluss, welcher sich auf das Isolieren und Einfangen einzelner Exemplare für Stierkämpfe beschränkt. Diese schöne Dokumentation (leider auf spanisch) zeigt die Kampfrinder beinahe-wildlebend als integralen Teil der lokalen Tierwelt:

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    Wie bereits erwähnt, gibt es viele Populationen von Robustrindern, welche in der Natur bereits seit längerer Zeit zurecht kommen. Daher zeigen sie auch wildes, natürliches Verhalten. Ich wünschte das Verhalten wilder Rinder wäre genauer studiert, es könnte uns einiges über die Verhaltensmuster des Auerochsen verraten.

    Als Vorgeschmack auf wilde Herden der TaurOs-Ochsen, hier sind Videos einiger wilder oder halbwilder Rinderpopulationen:

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    (ungarische Steppenrinder mit Maremmana-Einfluss)
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    (Chilingham-Rinder)
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    Interessant ist vor allem die Palette an Lautäußerungen, wie die trompetenden Signalrufe der Bullen. Letzteres Video ist besonders interessant, da sie eine Herde verwilderter Primitivrinder mit recht gutem Phänotyp zeigt. Die genaue Rasse ist mir nicht bekannt.


    Warum sind diese Rassen nun besser geeignet als Heckrinder bzw. warum sollte man Heckrinder nicht in Rückzüchtungsprojekte miteinbeziehen?

    Aufgrund ihrer bereits ausgeführten großen Heterogenität weisen manche Heckrind-Individuen oder Zuchtlinien mehr Ähnlichkeit mit dem Ur auf, als andere. Einige weisen tatsächlich einen Phänotyp auf, bei dem man sich denken kann, „Hey, daraus kann man etwas machen“. Doch ist der Genotyp des Heckrinds problematisch, da, wie bereits ausgeführt, das Heckrind einen hohen Anteil ungeeigneter mitteleuropäischer Milch- und Fleischrassen enthält und nicht selten unerwünschte Phänotype zum Vorschein kommen – diese würde man durch die Verwendung des Heckrinds höchstwahrscheinlich mitziehen, was nicht konstruktiv für die Zucht einer homogenen und authentischen Auerochsenrückzüchtung ist.

    Dies ist zugleich der Vorteil der Primitivrassen, den die Auerochsenmerkmale sind bei diesen Rassen meist stabil. Man wird kein Sayaguesa finden, welches plötzlich krass nach oben oder außen zeigende Hörner oder ein graues Fell hat – man wird keine plötzlich gescheckten Pajunas mit Dackelbeinen finden et cetera et cetera. Wenn aus diesen Rassen einmal abweichende Exemplare herausspringen, dann sind es meistens (unter der annahme, dass es sich nicht um eine mittlerweile von hochgezüchteten Rassen beeinflusste Rasse wie Kampfrind handelt) welche, die ansonsten in der Rasse eher seltenere Primitivmerkmale aufweisen, wie etwa wildfarben braune Sayaguesa-Kühe oder der von mir verlinkte schwarze Podolica-Bulle, oder der Hochlandstier mit seinen dicken, auerochsenartigen Hörnern. Nicht nur der Phänotyp, sondern auch der Genotyp dieser Primitivrassen sind stabil und für eine Rückzucht sehr nützlich, da sie ein Genreservoir für Erbmaterial des Auerochsen darstellen.

    Warum dies? Davon ausgehend, dass sie nicht wesentlich später als andere Rinderrassen domestiziert wurden oder einen lokalen Einfluss der Ure in sich tragen (wofür es allerdings deutliche Hinweise gibt), wurde ihr Genotyp vom Domestikationsprozess weniger affektiert, da diese Rassen weit weniger stark modifiziert (für Milch- & Fleischertrag, oder Zurschaustellung im Falle der Chianina etc.) wurden. Dadurch kann ein höheres Maß an Auerochsengenen in ihnen erhalten bleiben, selbst wenn kein jüngerer Beitrag von Urmaterial in diese Rinderpopulationen stattgefunden hätte. Dennoch gibt es dafür Hinweise in Form von Haplogruppen, welche für Ure typisch sind und in einzelnen iberischen und italienischen Rassen nachgewiesen werden konnten, sowie Knochenmaterial, welches sukzessive Übergangsindividuen darstellen könnte. Solche werden auch vom Balkan und Ungarn postuliert, begründen sich jedoch nur auf die Größe, weshalb ich da skeptisch bin und dortige Rassen ohnehin mit großer Wahrscheinlichkeit von der Türkei nach Europa gebracht wurden und auch phänotypisch keine große Ähnlichkeit mit dem Auerochs haben.


    Warum ist TaurOs Project so vielversprechend?

    Einerseits, weil TaurOs Project die Eignung der verwendeten Rassen nicht nur phänotypisch, sondern auch mittels DNA und dem Verhalten der Rinder überprüfte. Die Rassen haben sich als wesentliche authentischer in allen Aspekten erwiesen – so etwa auch, was den Jahresrhytmus angeht. Das Heckrind etwa, als Hausrind mit Anteil von stinknormalen Landrassen wie Anglerrind und Niederungsrind, pflanzt sich das ganze Jahr über fort und es kommt auch im Winter zu Kalbungen, was dem Wildtierrhythmus widerspricht. An den Jahresrhythmus angepasste Primitivrassen, wie das Schottische Hochlandrind, haben fixe Brunftzeiten.
    Und phänotypisch besitzen diese Rassen eine Ursprünglichkeit, welche – im Gegensatz zum Heckrind – weit über bloße farbliche Ähnlichkeit hinausgeht. Es betrifft den ganzen Körperbau, welcher, wie bereits ausgeführt, wichtig für ein Überleben in der Wildnis ist.

    Kritiker mögen einwenden, dass es zu lange dauern würde, eine neue Rasse zu etablieren und einen möglichst großen Genpool aufzubauen. Aber: Da die verwendeten Auerochsenartigen Rassen noch recht nahe am wilden Vorfahren sind, wird es nicht all zu viele Zuchtgenerationen dauern, bis man sehr gute Resultate hat. Die ersten Kreuzungen sind bereits jetzt sehr vielversprechend. Der Aspekt des großen Genpools ist voll abgedeckt, man verwendet viele Rassen (welche alle Eignungskriterien selbstverständlich erfüllen) um eine breite genetische Basis zu bekommen und man will auch Kreuzungsherden in anderen Ländern aufbauen. Die verwendete Zahl an Individuen ist folglich sehr groß, anders als bei den Hecks damals, welche aufgrund der Zoos als Zuchtplatz eine nur begrenzte Individuenzahl zur Verfügung hatten.
    Gerne wird auch eingewandt, das Heckrind habe sich wunderbar als ausreichend robust erwiesen und eine neue Rasse müsste das erst. Dies ist eine Falschbehauptung. Wie bereits ausgeführt, sind eine Vielzahl an Rinderrassen mindestens ebenso robust, wie es das Heckrind ist. Darüber hinaus haben Studien in Hortobagy gezeigt, dass das Hausrind Heckrind (dessen angebliche „Wildheit“ im Wesen aus der Haltungsform ergibt) in kalten Wintern aufgrund des Energie- und Wärmeverlusts durch die großen Euter benachteiligt ist und die Heckrinder deshalb zugefüttert werden müssen, im Gegensatz zu den Pferden. Die von TaurOs Project verwendeten Rassen behaupten sich bereits jetzt mindestens ebenso gut unter halbwilden Umständen, da sämtliche zur Züchtung verwendeten Individuen halbwild gehalten werden und man natürliche Selektion als zusätzliches Werkzeug einbaut.

    Die Robustheit der TaurOs-Ochsen ist also voll abgedeckt, ebenso ein möglichst großer Genpool – und warum der Phänotyp dem Auerochsen ohnehin sehr weit entsprechen wird, habe ich bereits ausgeführt. Und da man auch die Kreuzungsexemplare auf ihre genetische Eignung prüfen wird, wird sich auch der Genotyp Richtung Ur bewegen. TaurOs Project ist das am besten vorbereitete und einzige wissenschaftliche Projekt zur Rückzüchtung des Auerochsen, dessen Zielsetzung nicht nur ein Tier zu Schauzwecken in Zoos oder Extensivbeweidung, sondern zur Behauptung in der Wildnis und damit zur Restauration des Auerochsen in einer sehr authentischen Form.
    Man verfällt nicht irgend einem kuriosen Pragmatismus, und hofft auch nicht das Schlampigkeiten durch natürliche Selektion in den nächsten Jahrhunderten irgendwie ausgebessert werden – wie dies beim Heck-/Taurusrind der Fall ist.


    Das Heckrind entstand durch Unwissenheit und wurde/wird durch dadurch erhalten und verbreitet

    Wie bereits ausgeführt, hatten die Hecks wenig Ahnung vom Phänotyp des Auerochsen. Ihre Ideen beschränkten sich auf farbliche Eigenschaften und einen vagen Eindruck der Hörner basierend auf Höhlenmalereien und heutigen Rindern (!!!) anstatt damals bereits vorhandene komplette Schädelknochen anzusehen. Die Rassenauswahl war bei Lutz Heck ein wenig besser, was leider jedoch wenig relevant ist, da wohl nur sehr wenige Individuen der Berliner Linie zum heutigen Heckrind beigesteuert haben dürften. Die von Heinz Heck getroffene Auswahl war, bis auf korsisches Gebirgsrind und Hochlandrind, zum vergessen. Anglerrind, Steppenrind, Niederungsrind etc. haben in einem Rückzüchtungsprojekt nichts verloren. Hier zeigt sich auch die Unkenntnis der Hecks über primitive Rinderrassen, denn:

    Das 20. Jahrhundert war das wohl schlechteste für biologisch dem Ur nahen Rinderrassen. Durch Kreuzung mit Produktivrassen aus Mitteleuropa wurden die ursprünglichen Eigenschaften oft reduziert oder verdrängt oder Selektion auf bestimmte Merkmale zur Zurschaustellung hat den Phänotyp verkorkst. Als Beispiel hierfür, so sah die Rasse Barrosa vor einigen Jahrzehnten aus; darunter, so wie sie heute aussieht:

    http://3.bp.blogspot.com/_2xhqQXeJ1Mw/T…1600/feira4.jpg
    3.bp.blogspot.com
    http://www.ansi.okstate.edu/breeds/cattle/…chena-web-1.jpg
    http://www.ansi.okstate.edu

    Zwar ist sind die besten Rassen, welche heute noch existieren und von TaurOs Project verwendet werden, immer noch sehr gut – aber früher gab es noch Rassen, welche in viel weniger Aspekten vom Auerochsen unterscheidbar gewesen waren.

    Die Hecks hatten die große Chance, mit diesen Rindern arbeiten zu können. Es hätte sehr schnell zu einem phantastischen Ergebnis geführt und dann wäre heute die meistpropagierte Rasse tatsächlich eine, die dem Ur weitestmöglich entspricht. Stattdessen war ihr Projekt von Unwissenheit, Unwissenschaftlichkeit und Schlampigkeit geprägt und das Resultat ist nichts als eine weitere Landrasse mit ein wenig farblicher Modifikation. Ich verfüge über wissenschaftliche Quellen, die dies untermauern. Hätten die Hecks das notwendige Wissen über den Auerochs und primitive Rinderrassen ihrer Zeit gehabt, und ihr Projekt mit der notwendigen Professionalität und Wissenschaftlichkeit ausgeführt, wären wir dem Ur heute extrem nahe. Aber so kam es nicht.

    Auch heute noch zeigen die Heckrinder propagierenden Akteure mitunter ein gewisses Wissensdefizit über den Auerochsen - es fällt unter anderem dadurch auf, dass an den Mythos, dass die letzte Ur-Kuh 1627 gewildert oder geschossen wurde, obwohl sie sehr wahrscheinlich eines natürlichen Todes an Altersschwäche starb. Oder es wird an den übertriebenen Größenangaben von Schulterhöhen um die 2 m und einem Gewicht von einer Tonne festgehalten. Und alleine schon die Behauptung, dass Heckrinder eine in irgendeiner Weise erwähnenswerte körperbauliche Ähnlichkeit mit Auerochsen hätten, attestiert einem ein starkes Defizit hinsichtlich des Wissens über die Anatomie des Urs und heute existierende Primitivrassen.

    Und es ist kein Ende der sich verbreitenden Falschinformation abzusehen. Immer noch, obwohl sich unser Wissen über den Ur wesentlich verbessert hat, glauben Leute, Heckrinder hätten in irgendeiner Weise eine besondere Ursprünglichkeit hinsichtlich Phänotyp, Robustheit oder andere biologische Aspekte und wissen nicht, dass es viel ursprünglichere Rassen gibt, welche leider im Verschwinden begriffen sind. Dies ist unerträglich und ist schädlich für die bestmögliche Restauration einer ausgerotteten Art.

    Daher ist es wichtig, das wissenschaftlich fundierte Wissen über den Ur und Primitivrassen, zu verbreiten und leichter zugänglich zu machen. Dann gibt es vielleicht eine bessere Chance, für geeignete und authentische Rückzüchtungen.


    Ausgerottete Arten durch eigens in deren Richtung modifizierte Nachkommen in der Wildnis zu ersetzen ist ein faszinierendes Konzept, doch um so deprimierender ist es, dass die Achtlosigkeit und Unwissenschaftlichkeit mit der man vorging und -geht möglicherweise das volle Ausschöpfen des Potentials für eine möglichst gute Restauration der ausgerotteten Wildformen Auerochse und Wildpferd stark behindern. Ein wesentlicher Punkt daran ist, dass man sich ohne fachliche Überprüfung der Behauptungen zweier Zoodirektoren und anderer entschlossen hat, diese oder jene Rasse zu verwenden - wenn man tatsächlich ein Haustier als Wildtierersatz in einer Region etablieren will, dann muss das meiner Meinung nach fachgerecht überprüft werden und nicht nach Jux und Tollerei entschieden werden. Man hätte sich, vorallem in Oostvaardersplassen, wo jetzt in Summe 1500 Großherbivoren eines teilweise möglicherweise unauthentischen und teilweise garantiert unautentischen Typus herumrennen, vorher folgende Fragen stellen sollen:

    Sind diese Rassen tatsächlich so stark ihrer Wildform entsprechend? Stimmt ihr Körperbau und das Aussehen mit dem, was man von Skelettfunden und historischen Berichten weis einigermaßen überein? Bieten sie ein authentisches Bild und tragen sie zum Wissensstand der Menschen über die ursprüngliche Fauna des Kontinents bei? Am wichtigsten: Gibt es denn andere Rassen, welche den Job wesentlich besser erledigen könnten?

    Stattdessen hat man sich wohl in der Mehrheit dieser Projekte gedacht: "Ach, wird schon passen" und sich auf das verlassen, was gemeinhin ohne Überprüfung verlautbart wird. Dies hat in den letzten Jahrzehnten zu einem hohen Maß an sich verbreitender Falschinformation geführt, und das Dogma, man hätte bereits die eine gute Rinderrasse, lässt wirklich geeigneten Rassen kaum noch Spielraum in einer breiteren Öffentlichkeit mit dem Auerochs assoziiert zu werden. Wissenschaftliche Information über den echten Auerochsen sind dabei ins Hintertreffen geraten und die Werbung, welche Züchter und Organisationen für die von ihnen favorisierte Rasse - das Heckrind - überdominiert.
    Deshalb habe ich mir auf Tobias' sehr guten Hinweis die Wikipedia-Artikel zu Auerochse und Heckrind, welche erschreckenderweise (insbesondere letzterer) nur mit Presseartikeln und Homepages fundiert waren, vorgenommen und mit wissenschaftlich fundierter Information und Quellen ausgestattet und erweitert - Wikipedia hat ja einen großen Einfluss und wird massenhaft schlicht kopiert, daher hoffe ich, ein bisschen zur Besserung der Informationslage und der Chancen zur Etablierung einer möglichst genuinen Rückzüchtung beigetragen zu haben.


    Hier sind die wichtigstenMythen und Falschbehauptungenum das Heckrind noch einmal übersichtlich zusammengefasst:


    • Das Heckrind habe „bereits“ große Ähnlichkeit mit dem Auerochsen

    Diese Behauptung ist falsch und impliziert ein Wissensdefizit bzgl. der Anatomie des Auerochsen. Das Heckrind hat keine körperbaulichen Eigenschaften welches es auerochsenartiger machen als andere Landrassen. Lediglich einige farbliche Modifikationen, und es gibt wesentlich ursprünglichere wildfarbene Rinder. Das Wörtchen „bereits“ impliziert, dass mit Heckrindern noch angemessene, zielführende Selektivzucht betrieben würde, was fast nirgends der Fall ist. Wäre dies der Fall, wäre das, was das Heckrind nach demnach fast 70 Jahren Selektionszucht vorzuweisen hätte, erbärmlich.


    • Das Heckrind wäre aus ursprünglichen Rinderrassen gezüchtet worden

    Hier hat entweder jemand keine Ahnung, aus welchen Rassen das Heckrind gezüchtet wurde, oder weiß wenig über Primitivrinderrassen. Von den verwendeten Rassen lassen sich einzig korsisches Rind und Kampfrind als ursprünglich bezeichnen, alle anderen hatten einen stark modifizierten Phänotyp und waren völlig normale Zweinutzungsrassen (Niederungsrind, Steppenrind, Anglerrind...)


    • Bei der Zucht des Heckrinds wären die „alten Gene“ wieder zusammengefügt worden, was die „Ähnlichkeit“ mit der Wildform erklären sollte

    Wie bereits ausgeführt, ist das Heckrind keinesfalls der Wildform, dem Ur, besonders ähnlich verglichen mit anderen typischen Landrassen. Alleine farblich gelang eine Annäherung, und das aufgrund der Verwendung des annähernd wildfarbenen Korsischen Rindes. Und wie wir wissen, ist die Wildfarbe beim Heckrind nicht stabil. Bzgl. Hornform ist es nicht verwunderlich, dass bei der Verwendung von Hochlandrind und Steppenrind ein Rind zustande kommt, welches längere Hörner hat – die denen des Auerochs nur selten nahekommen. Also gibt es beim Heckrind keine Mystik von der „Zusammenfügung alter Gene“.


    • Heinz und Lutz Heck verwendeten verschiedene Ausgangsrassen, doch ihre Resultate seien einander sehr ähnlich gewesen, was den „Erfolg“ belegen solle

    Es ist nicht verwunderlich, dass Heinz und Lutz Heck ähnliche Resultate bekamen, da das Resultat ein normal proportioniertes Hausrind mit farblichen Modifikationen ist. Heinz Heck bekam die farbliche Annäherung durch das korsische Rind, Lutz Heck wahrscheinlich durch die Kampfrinder. Des weiteren waren sich die Münchner und Berliner Linie auch nicht unbedingt besonders ähnlich. Ein „Beleg“ für den „Erfolg“ der Brüder ist dies bei Weitem nicht.


    • Das Heckrind habe während der Zucht die „Wildheit“ im Verhalten und Resistenz gegen Krankheiten erlangt

    Das Verhalten der Rinder gegenüber dem Menschen ergibt sich aus der Haltungsform. Zieht man sie im Stall auf, sind sie so gefügig wie andere Zweinutzungsrinder. Die Resistenz gegen Krankheiten ergibt sich daraus, dass einige der Mutterrassen (Steppenrind, Hochlandrind) ebenfalls widerstandsfähig gegen die meisten Krankheiten der hochgezüchteten Rassen sind.


    • Heckrinder wären besonders robust und daher als Auerochsen-Ersatz am besten geeignet

    Sehr viele heutige Hausrinder sind in der Lage, in der Wildnis zu überleben – das Heckrind ist nur eines von vielen. Wie gut die Nische ausgefüllt wird, ist sehr wohl auch vom Phänotyp abhängig. So sind Heckrinder ob ihrer völlig normalen Hausrinder-Körperform gegenüber Raubtieren im Nachteil und auch das große Euter bedeutet Wärme- und Energieverlust. Gerade alleine das Heckrind zu propagieren, kann nur von Eigennutz oder Unwissenheit herrühren.


    • Heckrinder sind zwar überaus heterogen, doch das wäre eine „natürliche Variation“ wie sie auch beim Ur vorhanden gewesen wäre

    Dies wird gerne als Argument gegen die unzähligen Abweichungen des Heckrinds gebracht und ist völliger Unfug. Faktum ist, dass das Heckrind nicht nur viel heterogener als alle Wildtiere, sondern auch heterogener als die meisten Haustierrassen sind. Wir kennen zwar nicht die ganze Bandbreite der intraspezifischen Variation des eurasischen Auerochsen, doch mit Sicherheit wären nicht einmal die besten Heckrinder in der Schwankungsbreite enthalten


    • Das Heckrind werde momentan mit anderen Rassen „verbessert“

    Dies stimmt so nicht. Die Taurusrind-Versuche bringen durch Verwendung mancher Mittelmeerrassen teilweise bessere Allele in den Genpool ein, aber die starke Präsenz des Heckrinds in den Taurusrind-Versuchen verwässert dies stets wieder. Außerdem werden leider bei weitem nicht alle Heckrinder „verbessert“, sondern jene, welche in den entsprechenden Projekten verwendet werden. Alle anderen sind und bleiben normale und somit phänotypisch (was wiederum Auswirkung auf die Tauglichkeit in der Natur hat) ein schlechter Scherz. Es gibt leider immer noch keine Bestrebungen, Heckdackel in ihrer Gesamtheit durch verbesserte Versionen zu ersetzen, nur einige wenige Linien sind verbessert. Die Einkreuzung von Steppenrindern oder Holstein-Friesiern mancherorts bewirkt sogar eine deutliche weitere Verschlechterung des Heckrinds.


    Ich hoffe, meine Botschaft, dass das Heckrind als Restauration des Auerochsen zu vergessen ist und man sich geeigneten Rassen und TaurOs Project zuwenden sollte, geht in der Menge an Information nicht unter. :)

    Quellen und empfohlene Literatur u.a.:

    • van Vuure, 2002: History, morphology and ecology of the Aurochs
    • van Vuure, 2005: Retracing the Aurochs: History, morphology and ecology of an extinct ox
    • Beja-Pereira, 2006: The Origin of European cattle: Evidence from modern and ancient
    • DNA
    • Lynch, Hamilton & Hedges, 2008: Where the wild things are: Aurochs and Cattle in England
    • Bunzel-Drüle, Drüke & Vierhaus, 2001: Der Einfluss von Großherbivoren auf die Landschaft Mitteleuropas
    • Frisch, 2010: Der Auerochs – Das Europäische Rind
    • Lari et al., 2011: The complete Mitochondrial Genome of an old Aurochsen (Bos primigenius) from Central Italy

    Einmal editiert, zuletzt von Allosaurus (8. Januar 2012 um 15:52)

  • Also Allosaurus,
    du hast da einen Artikel präsentiert, den du vermutlich mal für ganz andere Zwecke zusammengetragen hast. Da sind viele Fachbegriffe (z.B. phänotypisch) enthalten, die mir völlig fremd sind wie auch die gesamte Thematik als solche. Ehrlich gesagt, finde ich den Artkel etwas anstrengend zu lesen. Weil für mich überhaupt nicht ersichtlich wird, WARUM überhaupt ein ausgestorbenes Tier zurückgezüchtet werden soll.
    Bevor ich mich mit der Sinnhaftigkeit der Kreuzung verschiedener Hausrindrassen zwecks Rückkreuzung überhaupt befassen würde, müßte man mir als absolutem Laien erstmal klar machen, wozu das gut sein soll.
    Ich stelle mir vor, dass es den anderen Mitgliedern im Forum sehr ähnlich geht.
    Eine Randbemerkung: endlich mal jemand, der nicht versucht, das Adjektiv "beige" zu beugen.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Hallo Allosaurus, hallo Sabine,

    die Idee, eine bereits ausgestorbene Tierart durch Rückzüchtung wieder auferstehen zu lassen, finde ich durchaus reizvoll. Ich denke, der Sinn liegt darin, die Tierart wieder anzusiedeln. Den Artikel finde ich persönlich aber inhaltlich zu speziell und langatmig,eher für Insider geeignet (wobei ich zugeben muss, dass meine persönlichen Interessenschwerpunkte woanders liegen).

    LG Brigitte

    [hr]
    Nicht von Beginn an enthüllten die Götter den Sterblichen alles. Aber im Laufe der Zeit finden wir, suchend, das Bess're.

    Xenophanes

    Einmal editiert, zuletzt von Waldgitti (10. Januar 2012 um 08:57)

  • Hallo,

    tut mir Leid, dass ich erst so spät antworte - ich habe wohl vergessen, das Thema zu abonnieren.
    Meinen Artikel habe ich ausschließlich für Forenbeiträge geschrieben, ich wollte damit wichtige Information über die Thematik leichter zugänglich machen. Ich bin für Kritik immer dankbar, ich sollte wohl eine verkürzte und auf das wesentlichste beschränkte Version davon machen.

    Ich dachte, die Antwort auf die Frage nach dem Warum für die Rückzüchtung des Auerochsen ist erschließlich, aber es ist sicherlich gut, auch dies auszuführen.
    Ganz wichtig ist es, hervorzuheben, dass der Auerochs nicht ausgestorben ist, sondern ausgerottet wurde. Es handelt sich nicht um einen Gegenstand der Palaeontologie, wie etwa Ammoniten oder Tyrannosaurus rex, welche in heutigen Ökosystemen keinen Platz mehr haben, sondern um ein Tier, welches vom Menschen vor nur 400 Jahren der Natur entrissen wurde. Der Auerochs war einer der wichtigsten Großherbivoren im nacheiszeitlichen Europa, eine wichtige Komponente in den hiesigen Ökosystemen, daher ist die Züchtung eines geeigneten Ersatzes ein genauso wichtiger Beitrag für Naturwiederherstellung wie etwa die Wiedereinführung von Wisents, Wildpferden oder jede andere vom Menschen verdrängte Art. Zahlreiche Beweidungsprojekte haben in den letzten Jahren gezeigt, dass Megaherbivoren einen sehr positiven Effekt auf die Biodiversität in europäischen Biotopen haben, und der Auerochs hat ebenso wie Wisents und anderes europäisches Großwild Existenzrecht in Europas Naturräumen.

    Deshalb ist es für Renaturierung sehr erstrebenswert, einen biologisch authentischen Auerochsen-Ersatz zu züchten - es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, zur Wolf-Wiederansiedelung Retriever oder Schäferhunde zu verwenden. Daher ist die Auswilderung von derzeit bestehenden Rinderrassen, wie dem Heckrind, Steppenrind etc., schärfstens abzulehnen.


    LG

  • Auerochsen waren hochbeinig - ist auch ein Blödsinn - sieht man Abbildungen von Menschen wie zB Herberstein die zu ihren Lebzeiten noch lebendige Auerochsen gesehen haben - so hatten die Auerochsen einen tiefen und gedrungenen Körperbau - auch alle Auerochsen waren 2 Meter hoch - ist ein Blödsinn - ich habe unzählige Skelette von Auerochsen mit unterschiedlichen Größen gesehen - wobei der Größenunterschied zwischen Stiere und Kühe enorm war - auch die Farbe der Auerochsen dürfte unterschiedlich gewesen sein - so wird in alten Berichten immer wieder auch von grauen und weißen Auerochsen berichtet - auch findet man in alten Büchern immer wieder Anleitungen wie man Auerochsen (Kühe und Kälber) einfängt und zähmt - offensichtlich wurden in früheren Zeit (so um 1000 n Chr) Auerochsen in großer Zahl eingefangen - wobei dies gar nicht so schwer war weil die Auerochsen ähnliches Verhalten wie Rehe hatten - im Sommer lebten die Kühe in kleinen Herden (Kühe mit Kälbern) oder alleine mit Kalb - wenn die Auerochsenkuh ein Kalb bekam trennte sich die Kuh von Herde und brachte Nachts an einem geschützten Ort ihr Kalb zur Welt - das Kalb lag in den ersten Tagen so wie bei den Rehen völlig bewegungslos im hohen Gras oder Gestrüpp - erst nach ca 3 Wochen kehrte die Kuh mit ihrem Kalb in die Herde zurück -- die Menschen brauchten nur die neu geborenen bewegungslos im Gras liegenden Kälber einsammeln und mit nach Hause nehmen -- weiters sollte man sich die Frage stellen - waren die Auerochsen die bis 1627 in Europa gelebt haben überhaupt richtige Wildtiere oder vielleicht nur entkommene verwilderte Hausrinder

  • wobei dies gar nicht so schwer war weil die Auerochsen ähnliches Verhalten wie Rehe hatten - im Sommer lebten die Kühe in kleinen Herden (Kühe mit Kälbern) oder alleine mit Kalb - wenn die Auerochsenkuh ein Kalb bekam trennte sich die Kuh von Herde und brachte Nachts an einem geschützten Ort ihr Kalb zur Welt - das Kalb lag in den ersten Tagen so wie bei den Rehen völlig bewegungslos im hohen Gras oder Gestrüpp - erst nach ca 3 Wochen kehrte die Kuh mit ihrem Kalb in die Herde zurück

    Hallo Janos ,

    Du verwechselt hier Hirsch mit Reh !

    Jeder weiss was ,zusammen wissen wir viel und insgesamt wissen wir viel zu wenig !

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