Aktion: Bestandsaufnahme der Kreuzotter

  • Hallo Forum,

    Im Frühjahr diesen Jahres traf ich mich mehrmals mit Falk Ortlieb. Für sein Studium (Bestandsaufnahme, Untersuchung der Populationen der Kreuzotter in Mecklenburg - Vorpommern) bat er mich um Unterstützung. Ich zeigte ihm einige Kreuzotternplätze, half ihm beim Einfangen der Tiere und beim Protokolle schreiben. Falks Aufgabe bestand darin, mindestens 75 Kreuzottern in Mecklenburg - Vorpommern aus verschiedenen Gebieten (u.a. Rostocker Heide (Küste), Insel Hiddensee) einzufangen und zu untersuchen. Insgesamt haben wir in zwei Gebieten ca. 15 - 20 Individuen aufgespürt. Bis Anfang Mai hatte Falk insgesamt (also alle Gebiete zusammen) mehr als die Hälfte untersucht. Leider ist die "Schlangensaison" ab Mai bereits wieder vorbei, denn nur im Frühjahr kann man die Ottern recht zahlreich in entsprechenden Gebieten und Habitaten beobachten. So kann Falk wahrscheinlich erst im nächsten Frühjahr mit seiner Arbeit weitermachen.

    Folgende Aufgaben wurden durchgeführt:

    - Einfangen der Kreuzottern
    - Bestimmung der Kreuzotter (Männchen, Weibchen)
    - Vermessen der Kreuzotter
    - Blut.- Speichel.- und Schuppenproben, diverse Abstriche
    - Markieren der Kreuzottern (Schuppen)
    - Temperaturmessungen (Kreuzotter und Liegeplatz)
    - Fotografien anfertigen
    - Ausfüllen der Erfassungsbögen
    - Freilassen der Kreuzottern

    Dokumentation

    Das Einfangen der Kreuzottern

    Als erstes möchte ich erwähnen, das das Einfangen von gefährdeten Tieren normalerweise verboten ist und nur für wissenschaftliche Zwecke (in diesem Falle für sein Studium) mit behördlicher Genehmigung erlaubt ist.

    Die Kreuzottern haben wir vorsichtig und mit Schutzhandschuhen ergriffen. Allgemein sind die Giftzähne der Kreuzottern nicht so lang, das sie einen Lederhandschuh oder das Schuhwerk durchdringen können. Aber man muss immer vorsichtig sein:

    Nachdem die Kreuzottern eingefangen wurden, kamen sie in einem Eimer wo sie der Reihe nach, einzeln untersucht wurden. Eine komplette Untersuchung einer Kreuzotter dauerte übrigens im Schnitt ca. 30 - 45 Minuten

    Eine männliche Höllenotter die wir als erstes entdeckten:

    Das Verhalten der Kreuzottern ist je nach Situation unterschiedlich. Manche Tiere sind völlig ruhig und haben die Untersuchung locker mitgemacht. Hier im Bild zu sehen verbiss sich die schwarze Kreuzotter sofort in den Handschuh:

    Wenn es keine Trockenbisse sind (Kreuzottern gehen sehr sparsam mit ihrem Giftvorrat um) kann man das Gift nach dem Zubiss am Handschuh deutlich erkennen. Es sind dann in der Regel ein oder zwei kleine Tröpfchen.

    Damit bei der Untersuchung keine Bissunfälle entstehen und sich die Otter nicht selbst verletzt, wurden die Schlangen in Plexiglasröhren vorsichtig eingeführt:

    Das Vermessen der Kreuzotter

    Es wurde als erstes der Schwanz vermessen und anschließend vom Kopf zur Kloake:

    Das längste Exemplar (Weibchen) was wir untersucht hatten, kam auf eine Länge von knapp 55 cm.

    Das Gewicht

    Nach dem Vermessen wurden die Kreuzottern gewogen. Dazu wurden sie in einem kleinem Behältnis getan und auf eine Präzisionswaage gestellt:



    Die Blutentnahme

    ..dauerte immer sehr sehr lange. Falk musste immer sehr konzentriert sein um die Reptilien nicht zu verletzten. Unter den Schuppen gab es eine ganz bestimmte Stelle wo die Blutentnahme möglich war. Am Ende kamen immer nur ein, zwei Tröpfchen Blut heraus (manchmal gaben die Schlangen überhaupt kein Blut ab):



    Die Blutproben wurden als Abstriche gesichert und werden später im Labor ausgewertet.

    Temperaturmessungen und Kloakenabstriche

    Jetzt wurden auch die Temperaturen gemessen, sowohl natürlich in der Kloake als auch direkt am Liegeplatz. Mit dem Abstrich kann man übrigens u.a. feststellen ob die Kreuzotter mit Salmonellen belastet ist:

    Die Speichelprobe und der Giftzahn

    Auch Speichelproben wurden entnommen. Auf dem Bild kann man auch den teilweise freigelegten Giftzahn erkennen:

    Protkolle / Erfassungsbögen

    Hier ein Blick auf die Erfassungsbögen. Es wurde alles akribisch notiert:

    Fotografien

    Nachdem die Untersuchung abgeschlossen war, wurden noch ein paar Detailbilder von der Kreuzotter gemacht:

    Freilassen der Kreuzottern

    Zum Schluß wurden natürlich alle Kreuzottern wieder in die Natur entlassen. Da die Schlangen ortstreu sind, war es notwendig das die Kreuzottern an der Stelle freigelassen werden wo wir sie auch entdeckt hatten:

    Das war´s :)

    Hoffe meine Berichterstattung hat euch gefallen.

    viele Grüße,
    Andreas

  • Lieber Andreas,
    danke für diesen ungewöhnlich ausführlichen und wortreichen Beitrag. Hochinteressant finde ich, nach welchen Kriterien die Bestandsaufnahme durchgeführt wird. Was ich mir nicht wirklich vorstellen kann: was wird denn aus der Blutentnahme und der Speichelprobe ausgewertet? Das ist alles sehr spannend zu lesen und fotografisch hervorragend dokumentiert. Vielen Dank für diese besondere Mühe, die ist mir 5***** wert.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Hi Andreas,

    ich schließe mich Sabine vollinhaltlich an - ein beeindruckender und sehr interessanter Bericht mit für mich vielen neuen Informationen. Hat mir sehr gut gefallen!:alright:

    *****
    Lieber Gruß,
    Meinhard

    Die Menschheit gehört zur verrücktesten Spezies.
    Sie verehrt einen unsichtbaren Gott und zerstört die sichtbare Natur.
    Im Unbewussten darüber, dass diese Natur, die sie zerstören, der Gott ist, den sie verehren.

    -Hubert Reeves-

  • Hallo Andreas,

    meinen Vorschreibern kann ich mich nur anschließen.
    Dein Bericht ist einfach spitzenmäßig.
    In meiner Jugendzeit habe ich selber für einen Apotheker Kreutzottern gefangen.Der hat sie gemolken und er achtete streng darauf das ich sie auch wieder genau dort ausgesetzt habe wo ich sie gefangen habe.
    Das ging natürlich alles streng nach Vorschrift.Ohne die Unterschrift meiner Eltern hätte ich das gar nicht machen dürfen.
    Damals waren die Ottern auch nicht so streng geschützt wie heute.
    Es gab sie ja auch massenweise im Vergleich zu heute.
    Für eine Kreutzotter gab´s damals 5 DM.Das war in den 60iger Jahren viel Geld.
    Das erfreulichste war, dass ich beim einfangen nicht einmal gebissen worden bin.
    Dummerweise ist mir das aber beim Pilze sammeln passiert.
    Vielen Dank für den wirklich interresanten Bericht der auch von mir 5 Sternchen bekommt.

    Grüße aus dem Schwarzwald
    Roland

    Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand.

  • Hallo zusammen,

    Es freut mich das euch der Bericht gefällt, danke für eure Bewertungen.

    @ Sabine: In erster Linie soll bei diesen Untersuchungen (Blutentnahme) festgestellt werden, ob die Populationen in M-V miteinander verwandt sind. Krankheiten wie z.b. Salmonellen kann mit den Abstrichen ebenfalls feststellen und liefern weitere wichtige Erkenntnisse. Bisher weiß man das häufig Reptilien in Terrarien Krankheitsüberträger sind. Bei den freilebenden Reptilien weiß man das allerdings nicht genau. Falk wird mich informieren sobald die Laborergebnisse abgeschlossen sind.

    viele Grüße,
    Andreas

  • Hallo Andreas,

    mit diesem Beitrag hast du dich selbst übertroffen. Ich habe ihn aufmerksam durchgelesen und angeschaut. Dafür auch von mir *****.
    Für die Schlangen war das mit Sicherheit Streß, aber für die Wissenschaft und zu deren Schutz erforderlich. Ich hätte bestimmt mit leuchtenden und großen Kinderaugen daneben gestanden.

    Wirklich toll.

    Liebe Grüße
    Sabine II

    Solange es Menschen gibt die denken, dass Tiere nicht fühlen,
    müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken.
    (Noah)

  • Hallo zusammen,

    Heute rief mich Falk an und berichtete das er mittlerweile schon 65 Kreuzottern untersucht hat. So langsam nähert er sich dem Ziel :) Wir haben uns für das kommende Wochenende wieder verabredet, hoffe das wir noch ein paar Kreuzottern aufspüren. Ich werde hier berichten.

    Ach ja, vielen Dank für deine Anmeldung im Naturforum, Falk - herzlich willkommen :alright:

    schöne Grüße,
    Andreas

  • Hallo Andreas

    meine letzte Kreuzotter Beobachtung in Deutschland ( in Schweden noch vor 2 Monaten, eine totgefahrene ) ist mindestens 30 Jahre her, im Armeekinderferienlager Karlshagen auf der Insel Usedom, damals versuchte ich die Kreuzottern einzufangen weil die sowohl von den Betreuern als auch von den anderen Kindern getötet wurden und außerhalb der Einzäunung wieder auszusetzen, weder hatte ich Angst vor Schlangen noch vor Bisse, das hatte mir ziemlichen Ärger eingehandelt bis zur Drohung mich aus den Ferienlager rauszuschmeissen, war mir aber egal ich machte trotzdem weiter

    Sind noch Kreuzottervorkommen aus dieser Ecke bekannt ? Gibt es Vorkommen im bereich des Galenbecker Sees ? Wenn ja, würde ich gerne mal die Zeit nehmen und bei der Bestandsaufnahme helfen, da ich bis zu 16 Wochen Urlaub im Jahr habe , die ich oft in Deutschland verbringe kann ich meine Zeit sehr gut dafür nutzen

  • Lieber Andreas,

    zum Glück hat Norrsken noch einmal geantwortet, so habe ich diesen interessanten Thread auch entdeckt! Ich habe so viele spannende Informationen daraus mitgenommen!

    Norrsken, toll, dass du schon als Kind dieses Gefühl für Natur- und Artenschutz hattest! Und einen umwerfenden Mut!

    Herzliche Grüße Rosmarie

    "Sollte man nicht überhaupt begeistert sein über die Welt, in der man lebt?" (Ausspruch von Kasimir hier im Naturforum)

  • Ah, toll, lieber Norrsken! Das macht mich regelrecht glücklich! :alright: :)

    Solche Erfolge konnte ich noch nie erzielen. D.h. vielleicht doch, nur eben unspektakulär. Ich konnte meinen Freund (und andere) davon abbringen, Spinnen und Krabbelzeugs in der Wohnung tot zu treten, bzw. wegzusaugen. Nun fangen sie die Viecher auch mit dem Glas und setzen sie raus. Das ist doch auch schon was. Jeder freut sich halt seinen bescheidenen Möglichkeiten nach... ;)

    Jedenfalls finde ich es ganz großartig, dass du auch beim Retten von Schlangen aktiv wirst! :)

    Herzliche Grüße Rosmarie

    "Sollte man nicht überhaupt begeistert sein über die Welt, in der man lebt?" (Ausspruch von Kasimir hier im Naturforum)

  • es ist doch , der Respekt vor dem Leben, liebe Rosmari was uns hier verbindet, auch das was du erreicht hast, deine Familie dazu zu bringen, es dir gleich zu tun, einige Menschen mehr, die anfangen die Natur mit anderem Auge zu sehen, ist viel mehr wert, als die vielen Fotografen die zwar schöne Landschafts- Naturaufnahmen machen, aber in Wirklichkeit in ihrem Leben noch nie ein Finger für die Natur krumm gemacht haben.
    Ich sag es deswegen, weil ich einige solche kenne, ein Beispiel:
    Vor einigen Jahren traf ich im Müritznationalpark einen Fotografen der abends beim Biertisch, seine wirklich fantastischen Aufnahmen vom abfliegenden Fischadler vom Bruthorst präsentierte.
    Dann irgendwann nach einigen Bieren zuviel, erzählt er wie er zu solchen Fotos auf seine Touren kommt, beim Fischadler zum Beispiel, schickte er einen Freund unter dem Gittermast vom Horst, der solange mit einem Knüppel auf den Mast einschlug, bis der brütende Altvogel den Horst verließ. Auf mein Widerwillen gegen solche Aktion, meinte er dann nur, er ist vom bayrischen Vogelbund ihm steht sowas zu.
    Vor solche Menschen habe ich kein Respekt, aber jemand der selbst das kleinste Lebewesen versucht zu schützen und wenn es die Hausspinne ist, die haben Respekt verdient.

  • Ach, lieber Norrsken, ein schöneres Plädoyer für die Achtung vor dem Leben - und zwar nicht nur dem menschlichen, sondern jedem Leben, auch dem tierischen und pflanzlichen - könnte keiner halten! :alright::alright::alright:

    Ich hoffe, dein Fischadler von damals hat seine Brut trotzdem hochgekriegt!

    Herzliche Grüße Rosmarie

    "Sollte man nicht überhaupt begeistert sein über die Welt, in der man lebt?" (Ausspruch von Kasimir hier im Naturforum)


  • Hallo Andreas

    meine letzte Kreuzotter Beobachtung in Deutschland ( in Schweden noch vor 2 Monaten, eine totgefahrene ) ist mindestens 30 Jahre her, im Armeekinderferienlager Karlshagen auf der Insel Usedom, damals versuchte ich die Kreuzottern einzufangen weil die sowohl von den Betreuern als auch von den anderen Kindern getötet wurden und außerhalb der Einzäunung wieder auszusetzen, weder hatte ich Angst vor Schlangen noch vor Bisse, das hatte mir ziemlichen Ärger eingehandelt bis zur Drohung mich aus den Ferienlager rauszuschmeissen, war mir aber egal ich machte trotzdem weiter

    Sind noch Kreuzottervorkommen aus dieser Ecke bekannt ? Gibt es Vorkommen im bereich des Galenbecker Sees ? Wenn ja, würde ich gerne mal die Zeit nehmen und bei der Bestandsaufnahme helfen, da ich bis zu 16 Wochen Urlaub im Jahr habe , die ich oft in Deutschland verbringe kann ich meine Zeit sehr gut dafür nutzen

    Lieber Norrsken,

    soviel ich hier mitgekriegt habe, ist Andreas sehr engagiert und hat wohl nicht die Zeit, immer ins Forum zu schauen.
    Vielleicht hat er dein Angebot nicht gelesen. Ich würde es ihm sicherheitshalber noch mal als PN (Persönliche Nachricht) oder Mail schicken.

    Herzliche Grüße Rosmarie

    "Sollte man nicht überhaupt begeistert sein über die Welt, in der man lebt?" (Ausspruch von Kasimir hier im Naturforum)

  • Lieber Norssken,

    leider habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Ich meinte, an deiner Stelle würde ich Andreas mal anmailen.
    Wenn ich Andreas kennen würde oder forenmäßig auch nur die geringste Bedeutung für ihn hätte, würde ich das gern für dich tun. Aber da ich keine Fachkenntnisse habe (nur Naturbegeisterung) bin ich mir nicht mal sicher, ob er mich schon wahrgenommen hat.

    Ich bin mir sicher, dass er mit deiner Mail weit mehr anfangen kann!

    Herzliche Grüße Rosmarie

    "Sollte man nicht überhaupt begeistert sein über die Welt, in der man lebt?" (Ausspruch von Kasimir hier im Naturforum)

  • Hallo Peter,
    ich habe den "angepinnt"-Status der beiden Themen um Kreuzotter und Glattnatter von Andreas aufgehoben. Andreas macht hier seit Jahren nicht mehr mit, und es gibt auch keinen Kontakt zu ihm. Er hatte mal eine Homepage zum Thema Pilze, aber die existiert auch nicht mehr.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

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