Wer bin ich? => Fliege // auch: Infos zum Großen Wiesenknopf

  • Ich glaube ich muss mal mit den Kollegen quatschen. Wir hatten vor Jahren ein Ansiedlungsprojekt im Kreis Neuss. Da ging es weniger um Sanguisorba und mehr um Maculinea. Da müssten wir mal schauen, ob das officinale ist und ob Myrmica rubra da ist. Dann wäre das vielleicht mal einen Versuch wert.

    Liebe Grüße
    Klaas

    In obigen Beiträgen ging es um den Großen Wiesenknopf, der in der Urdenbacher Kämpe nachweislich wächst und die evtl. Möglichkeit, dort den Wiesenknopf-Ameisenbläuling anzusiedeln.

    Am Freitag Nachmittag hatte ich im Rahmen eines Spaziergangs zum Thema essbare Wildpflanzen in der Kämpe, der von der Biologischen Station über die VHS angeboten wurde, die Möglichkeit, den Botaniker nach dem Großen Wiesenknopf und den Bläulingen zu fragen.

    Wenn ich ihn richtig verstanden habe, wurde auch in unserer Kämpe vor einigen Jahren schon einmal versucht, die Ameisen anzusiedeln, es hat aber nicht geklappt.

    Viele Grüße aus dem Rheinland / NRW

    Claudia und Uwe

  • Die Ameisen anzusiedeln wäre völliger Blödsinn. Die sind überall in NRW zu finden und kommen, wenn sie in der Kämpe nicht vorkommen, ganz von alleine. Sollten die Ameisen, oder der Ameisenbläuling angesiedelt werden?

    Viele Grüße
    Klaas

  • Hallo,

    aus aktuellem Anlass kommt es hier zu einer Fortführung. In Ihrem Beitrag zur Urdenbacher Kämpe und Baumberger Aue zeigen Claudia und Uwe ( maischo ) ein Bild vom Großen Wiesenknopf samt Piepmatz:

    Zitat


    154453-comp-10-braunkehlchen-9-jpg

    Das war für mich die Gelegenheit, das Thema Braunkehlchen mit dem Thema Wiesenknopf-Ameisenbläulinge zu entern, was aber erfolgreich abgeschmettert wurde durch den Hinweis auf diesen Faden. Und so tobe ich mich jetzt hier aus :24: ...

    Die Ameisen anzusiedeln wäre völliger Blödsinn. Die sind überall in NRW zu finden

    So ist es, es ist die Myrmica-Art mit der weitesten ökologischen Amplitude bei uns in Europa. Aber ich wüte lieber der Reihe nach, unabhängig davon, ob schon zuvor jemand ins gleiche Horn gestoßen hat. Los geht's!

    Schau mal hier, Klick http://www.auenblicke.de/website/home.html Dort ist vom Großen Wiesenknopf die Rede.

    Leider nicht, da ist die Rede vom "großen Wiesenknopf", damit kann der Große Wiesenknopf gemeint sein (und ist es auch), aber auch ein vergleichsweise großwüchsiger Wiesenknopf unbekannter Artzugehörigkeit kann hineininterpretiert werden. Allerdings sieht der kleine deutlich verschieden aus ...

    Also, der Große Wiesenknopf heißt Sanguisorba officinalis. Nur auf diese Pflanze legen die Weibchen des Dunklen-Wiesenknopf-Ameisenbläulings (Maculinea nausithous) und des Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläulings (Maculinea teleius) ihre Eier ab. Die Raupen fressen zuerst an der Blüte und werden dann in Nester der Ameisenart Myrmica rubra (oder auch andere Myrmica-Arten?) verschleppt und da weiterversorgt. Wie man sich vorstellen kann, sind Tiere mit einer solch komplizierten Entwicklung selten und deshalb gibt es Ansiedlungsprojekte. Wenn bei dir alle diese Voraussetzungen zutreffen, wäre eine Ansiedlung einen Versuch wert.
    Statt Maculinea wird manchmal auch Phengaris verwandt.

    Mir wurde erklärt, dass die beiden Wiesenknopf-Ameisenbläulinge sich schon bei der Eiablage etwas "aus dem Weg" gehen, indem Phengaris nausithous das am Ende des Haupttriebs stehende Blütenköpfchen zur Eiablage bevorzugt, wenn es schon dunkelrot und kurz vor dem Öffnen der ersten Blüten steht. Phengaris teleius soll hingegen die Köpfchen der Seitentriebe bevorzugen, wenn sie noch überwiegend grün und kompakt sind. Aber danach geht es noch weiter mit Konkurrenzvermeidung. Auch wenn nahezu jede Myrmica-Art über das Verbreitungsgebiet der Falter ihr Fett wegbekommen kann (hierzulande dann als Nebenwirt), sind doch Myrmica rubra für Phengaris nausithous und Myrmica scabrinodis für Phengaris teleius bei uns die Hauptwirtsameisenarten. Unter natürlichen Bedingungen wie auch "artifiziellen" in Form "antiquierter" Streuwiesennutzung haben weder Wiesenknopf noch Ameisen ein Problem, gemeinsam vorzukommen. Bei Radolfzell am Bodensee gibt es sogar eine stärker entwässerte Wiese, an deren Enwässerungsgräben weniger als 50 cm bei der ersten Mahd "ungeschoren" davonkommen. Die dort prächtig gedeihenden Sanguisorba-Bestände und die in ihrer Nähe befindlichen Myrmica rubra Nester reichen schon seit geraumer Zeit für eine stabile Population von Phengaris nausithous. "Weiterversorgt" ist gut :24: , dazu später. Und bevor Phengaris sich durchsetzte, machte auch noch Glaucopsyche als die vermeintlich richtige Gattung für diese Arten die Runde.

    Die Larve frisst bis zur ersten Häutung in der Blüte. Nach der Häutung verlässt sie die pflanze und sucht nach Myrmica rubra (wohl nur diese, keine andere Myrmica).

    Eigentlich frisst sie in den Larvenstadien 1 bis einschließlich 3 in den Blütenköpfen, erst im 4. Larvalstadium verlässt sie die Pflanze. Ob sie dabei aktiv auf die Suche nach Myrmica(nestern) geht, weiß ich nicht. Auf alle Fälle steht ihr das richtige Verhaltensrepertoir zur Verfügung, um sich erfolgreich "adoptieren" zu lassen.

    Nun hat Myrmica rubra auch ihre Ansprüche und ist da sehr heikel. Zum einen braucht Myrmica rubra Wiesen, die, wie man so schön sagt, verfilzt sind. Das heißt, dass sie auf wiesen lebt, die nicht verbuscht sind, aber auch nicht jedes Jahr geschnitten werden. Am besten sind solche Wiesen, die nur alle drei, vier Jahre gemäht werden. Die Mahd zerstört das Mikroklima. Dass wiederum heißt, wenn man die Wiese mäht, ist Myrmica rubra so beeinträchtigt, dass die Stärke der Völker und die Anzahl Nester, deutlich abnimmt. Von Vorteil in solchen Bereichen ist eine Teilmahd, oder, noch viel besser, Beweidung durch Weidetiere (es gibt Untersuchungen zur Artenvielfalt von Wiesen, die gemäht werden und Wiesen, die nur extensiv beweidet werden - die Ergebnisse sind für Naturschutzverbände, die mähen, niederschmetternd).

    Myrmica rubra kann mit vielen Gegebenheiten klarkommen. Solange sich der Wiesenknopf zur Eiablagezeit im richtigen Entwicklungsstadium befindet und auch zu Potte kommt (sprich, aussamen kann - und das geht eben am besten bei nur einer Mahd pro Jahr, die relativ spät erfolgt gemessen an der Flugzeit der Falter), sollte es auch für Falter und Ameisen reichen. Im Voralpenland gibt es früh fliegende Populationen, bei uns erscheint teleius ab Mitte Juni und nausithous ab Anfang Juli, da könnte man dann Anfang September mähen, aber ich lasse das Ganze wegen anderer Arten gerne bis Oktober stehen. Das Myrmica rubra, die sich optimal in den Randbereichen der Streuwiesen einnischt, besser gegen Konkurrenz behauptet, wenn diese leicht unternutzt verbrauchen, liegt glaube ich vor allem daran, dass andere Myrmica-Arten mit der hochgrasigen (Beschattung bei gleichzeitig hoher Bodenfeuchte) schlechter zurecht kommen. Myrmica scabrinodis verträgt es zwar deutlich nasser als rubra, aber meist nur dort, wo es dank Sonneneinstrahlung in Gras- und vor allem Moos-Bulten "brüllend heiß" wird. In unseren Pfeifengraswiesen, die jährlich gemäht werden, kann Myrmica rubra punktuell Dichten von 4 Nestern auf den Quadratmeter, lokal 10 Nester auf 4 qm (also 2,5) und großflächig 1 pro qm erreichen. Da spielt die Ernährung auch eine Rolle, wenn reichlich Nicht-Sauergräser vorhanden sind, ist das schon mal gar nicht schlecht, dann besteht zumindest die Möglichkeit, über Wurzelläuse ausreichend Assimilate abzugreifen um zumindest zu überdauern.

    Bei reichlichem Vorhandensein von Wirten (Pflanzen wie Tieren) kann in der Tat die Falterpopulation zu groß werden für den Bestand an Myrmica rubra und es zum Kollaps kommen. Will man dem vorbeugen, ist man vielleicht mit einer Teilmahd gut bedient, die dafür sorgt, dass die Wiesenknopfbestände auf der Mähfläche nicht während der Flugzeit zur Blüte kommt und dort die Myrmicanester nicht von den Phengarisraupen heimgesucht werden und wieder erstarken können. Vielleicht wirkt (extensive, ganzjährige) Beweidung dadurch, dass, weil die Falterpuppen oberflächennah liegen, ein Teil davon Schaden nimmt, wenn das ein oder andere Weidetier "versehentlich" in ein Nest tritt. Dass wäre dann aber für den Menschen, der wissentlich die Tiere auf einer Fläche mit FFH-Artvorkommen weiden lässt, ein heikles Unterfangen, riskiert er doch sehenden Auges den Tot von Individuen dieser Art(en). Vielleicht reduziert auch die Beweidung die Ameisennestdichte so weit, dass es nicht zu explosionsartiger Vermehrung kommt, und die Dungkäferfauna, die sich dazu einstellt, begeistert bestimmt Klaas Reißmann , aber der selektive Fraß begeistert mich nicht so sehr, weil dann doch häufig maschinell nachgepflegt wird. Abgesehen davon ist Vielfalt kein Selbstzweck, es gibt eben auch ausgesprochen artenarme Lebensräume. Wenn alle, wie mein ehemaliger Chef es zu tun pflegte, ihren Apfelbutzen mit dem Zuruf "Eutrophiere!" ins Moor werfen würden, hm ...

    Myrmica ist nur sehr schlecht zu bestimmen. Da braucht es Experten und immer eine Serie Tiere aus einem Nest.

    Lasst uns das doch mal ausprobieren, zumindest die beiden mit den (vernachlässigten?) Mikroskopkameras können ja mal losziehen. Ich finde die Unterscheidung nicht sehr schwer und auch nicht aufwändig, mir reicht in der Regel ein Tier. Ruhig auch mal welche aus dem Wald mitbringen, dann hat man den Unterschied zu M. ruginodis. Rubra und ruginodis gehen auch hoch in die Vegetation (Fallobst an den Baumstamm geklatscht ködert nicht nur Nachtfalter) und sind an Zuckerquellen zu finden, rubra z. B. gerne an extrafloralen Nektarien von Vicia sepium, aber Blattläuse gehen natürlich immer. Ob die Myrmica allerdings jetzt noch nennenswert unterwegs sind oder schon langsam in der Winterruhe, ist von hier nicht zu prophezeien.

    Lasius ist natürlich wesentlich volksstärker als so ein kleines Myrmicavölkchen, Lasius hat für die Unmengen an Brut einen ganz anderen Platzbedarf und wird den Stein schon deswegen auch bei wiederholter Störung nicht aufgeben, weil sie ihn locker dank zahlenmäßiger Überlegenheit so was von dominieren können, dass es töricht wäre, da klein bei zu geben. Abgesehen geben größer Myrmica-Kolonien die Struktur auch nicht gleich auf. Wenn man die Struktur (Zerfleddern des Totholzes z. B. - diese Coleopterologen, also echt) nachhaltig zerstört, sind alle Ameisen erstmal "weg" (ne Etage tiefer im Boden), wenn sie es nicht zeitnah geflickt bekommen. Altgrasbestände schützen natürlich gegen Störungen, der Grünspecht findet sich viel lieber auf dem kurzgemähten oder -gefressenen Grünland ein als im hochwüchsigen Randstreifen, selbst wenn dort die Ameisendichte höher ist (z .B. weil sie den angrenzenden Weg als Struktur mit geringerem Laufwiderstand nutzen und von der geringeren Beschattung profitieren).

    Genug fürs erste,

    Viele Grüße

    Ziegelstein

    "Ah, connections, Son. That's the fateful key that Harriet missed, the key to understanding the natural world."

    Father Worm in "There's a Hair in My Dirt! - A Worm's Story" by Gary Larson.

    Einmal editiert, zuletzt von Ziegelstein (6. September 2022 um 22:58) aus folgendem Grund: Grammatik ist schon auch wichtig.

  • Uff, das muss ich mir mal ausgeschlafen durchlesen. War gerade fünf Stunden draußen und habe mir fast das Hirn weggebrannt...

    Viele Grüße

    Addi

    Viele Grüße

    Addi

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    "In den kleinsten Dingen

    zeigt die Natur

    ihre größten Wunder."

    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • maischo 6. September 2022 um 16:40

    Hat den Titel des Themas von „Wer bin ich? => Fliege“ zu „Wer bin ich? => Fliege // auch: Infos zum Großen Wiesenknopf“ geändert.
  • Hallo,

    das mit dem "Weiterversorgen" durch die Ameisen erfolgt ja bei den einzelnen Ameisenbläulingsarten nicht immer gleich. Es gibt welche, die obligatorisch Ameisenbrut fressen, dann solche, die räuberisch sein können, aber zusätzlich auch um Futter betteln können, und die, die ausschließlich von den Ameisen gefüttert werden.

    Aber nochmal zu Ansiedlungsversuchen. Gibt es Projekte, bei denen der Große Wiesenknopf in Töpfen angezogen wurde und zur Blütezeit zu "wilden" Exemplaren mit entsprechendem Falterbestand gesellt / gestellt wurde, damit die Köpfchen mit Eiern belegt werden können? Die könnte man dann an passenden Standorten mit Ameisenvorkommen auspflanzen.

    Myrmica-Arten sind ja polygyn, ein Volk könnte man also teilen und gleich von Anfang an mit in den Blumentöpfen ansiedeln, aufpäppeln und später mit dem Wiesenknopf auswildern / einpflanzen. Hat da jemand Kenntnisse von Versuchen in diese Richtung?

    Viele Grüße

    Ziegelstein

    "Ah, connections, Son. That's the fateful key that Harriet missed, the key to understanding the natural world."

    Father Worm in "There's a Hair in My Dirt! - A Worm's Story" by Gary Larson.

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