Massives Insektensterben in Baden-Württemberg

  • Hallo zusammen,
    in Baden-Württemberg gibt es mehrere Monitoring Programme. Von Amphibien, Reptilien über einzelne Insektenordnungen bis zur standadisiertem Biomasse Erfassung. Letzteres läuft seit Juli letzten Jahres und ich bin darin involviert. Während letztes Jahr eine Art Testlauf lief, ist dieses Jahr alles etwas genauer. Neben der Biomasse Luft (also überwiegend flugfähige Insekten) an 12 Standorten in BW werden auch die Anzahl der Schwebfliegen und Wildbienen ermittelt. Die Wildbienen werden zudem auf Artebene erfasst (mein Part).

    Erste Trends wurden letzten Donnerstag bei uns im Naturkundemuseum präsentiert. Wir haben also bislang nur einen Zeitraum von Juli bis Oktober 2018 und den Zeitraum März bis Juni 2019 ausgewertet. Ergebnis rein Biomasse: im Schnitt 5gr. pro Tag. Das sind auch etwa die Wete, die die Krefelder Studie zum Schluss ermittelte.
    https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/pre…Qi9Y2D7i96z5h6U

    Grüße
    Andreas

  • Hallo Andreas,

    danke für den Link! Für den betagten Autofahrer wie mich eigentlich nichts Neues, aber eine ofizielle Bestätigung der bislang geäußerten Vermutungen zum Thema Scheibenverschmutzung beim Auto.

    LG Lothar

    Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken; sie beleuchtet stets nur das Stück Weg, das wir bereits hinter uns haben. >Konfuzius<

  • Lieber Andreas,
    nach der Kreferlder Studie sind die Ergebnisse aus Baden-Württemberg eigentlich nicht überraschend, auch wenn BaWü noch immer als das Vorzeige-Bundesland für allerlei Organismen in der Natur zu gelten scheint.
    Meine persönliche Wahrnehmung bei mir zu Hause vor der Haustür sieht ganz ähnlich aus. Vor wenigen Jahren gab es im Frühling noch Wollschweber, sie sind weg. Die Artenzahl und Individuenzahl selbst von Fliegen scheint dramatisch abzunehmen. Tagpfauenauge und Kleiner Fuchs waren mit die häufigsten Tagfalterarten; seit einigen Jahren ist das Tagpfauenauge nur noch selten zu sehen, und 2019 habe ich zu Hause gerade mal einen einzigen Kleinen Fuchs gesehen - an einem Schmetterlingsflieder.
    Und wenn man durch Deutschland fährt, fällt auf, dass der Mähwahnsinn immer größere Ausmaße annimmt. Dass bei Dürre Straßenränder wegen Brandgefahr (wenn ein Auto dort anhält) gemäht werden, dafür habe ich noch Verständnis. Aber gerade die Flächen wie die Schleifen von Autobahnausfahrten, Autobahnseitenränder, die keiner betritt und auf denen Wildblumen und Wildkräuter nicht nur niemanden stören, sondern sogar von den meisten für schön gehalten werden, dort wird gemäht wie verrückt. Nicht nur direkt an der Straße entlang, nein bis z.B. an den Wald heran ohne auch nur ein Stückchen stehen zu lassen. Alles wird zu englischartigem Grün verschandelt.
    Selbst in Österreich, wo es lange Zeit noch vernünftig gehandhabt wurde, wird jetzt an Flächen, die keiner braucht oder nutzt, bis an die hinterste Kante abgemäht.
    Alle reden vom Insektensterben und dass etwas dagegen getan werden muss. Wie einfach wäre es doch, wenn das, was getan wird, in großem Stil einfach unterlassen würde, und nur das abgemäht wird, wo es aus Sicherheitsgründen notwendig ist.
    Wir Naturbeobachter sehen den Rückgang der Arten- und Individuenzahl, auch wenn wir nicht mit wissenschaftlichen Studien und "harten" Zahlen daherkommen können. Aber es ist so unglaublich frustrierend und das Gefühl der Ohnmacht einfach riesengroß.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Hallo Sabine,

    ich hoffe, dass bei der nächsten Wahl die Grünen ein deutlicheres Zeichen setzen werden.

    Gruß Martin, der hofft, dass sie die Politik etwas umkrempeln.

  • Hallo zusammen!

    Leider kann ich Sabines Wahrnehmungen für meine Umgebung nur bestätigen,

    sowohl, was das Abmähen an Straßenrändern, aber eben auch an Feldwegen

    angeht als auch, was das Abnehmen von Arten und Individuenzahlen direkt vor

    meiner Haustür betrifft.Und gerade diesen Bereich meines Gartens beobachte

    ich ja schon seit mehr als dreißig Jahren.Aber auch in der Nachbarschaft herrscht

    der selbe Ungeist wie vor dreißig Jahren:vor allem Samstags werden die sowieso

    eintönigen Rasenflächen gemäht, die Gänseblümchen und der Löwenzahn müssen

    doch weg!Und nach dem Mähmassaker muß der Restrasen dann -na klar- mit

    Trinkwasser besprengt werden, um sein Verbrennen zu verhindern.Anschließend

    wird in Einfahrten und an den Rändern mehr oder weniger offen weggespritzt, was

    da wagt, in den Ritzen zu grünen.

    MfG Herbert C

  • Wenn es mal nur das falsche Mähen wäre ...

    Das hat alles viel größere Dimensionen.
    Unser Wirtschaftsystem beruht auf der irrigen Annahme eines unendlichen Wachstums. Landwirtschaft und Industrie folgen genau dieser Doktrie. Wir, vor allen in den Industrieländern, profitieren momentan noch von der weltweit zunehmenden Naturzerstörung, bzw. in Europa vor allem dem Umwandeln von funktionierenden Kulturlandschaften in Agrarsteppen, Gewerbegebiete, Baugebiete, Straßen usw. Solange das alles keine Auswirkungen auf das tägliche Leben hat, also noch genug natürliche Ressourcen da sind, interessiert das Insekten- oder besser weltweite Artensterben keine Sau. Lass mal die Benzinpreise nach oben schnellen oder das Internet gestört sein, dann gibt es Revolution von unten; aber doch nicht beim Artensterben!

    Hier ein kurzer Clip auf YTube, der in ein paar Minuten unseren Umgang mit der Natur erzählt (falls vorher Werbung, bitte übersrpingen):

    Menschheit

    Gruß
    Burkhard

    Einmal editiert, zuletzt von burki (17. September 2019 um 20:38)

  • Wenn es mal nur das falsche Mähen wäre ...

    Das hat alles viel größere Dimensionen.


    Gruß
    Burkhard

    Schon klar, ich hätte auch noch paar Seiten mit Fehlverhalten einzelner und der Gesellschaft füllen können.

    Aber es geht halt im Kleinen los und mit der Uneinsichtigkeit vieler Einzelner, die ja das Verhalten "der

    Gesellschaft" ausmachen...

    MfG Herbert C

  • Hallo Herbert,

    Aber es geht halt im Kleinen los und mit der Uneinsichtigkeit vieler Einzelner, die ja das Verhalten "der

    Gesellschaft" ausmachen...


    deswegen hatte ich ja geschrieben, dass ein Umdenken von unten kommen muss. Nur dann reagiert eine Regierung oder die anderen Parteien, die wieder gewählt oder gewählt werden wollen. Das ist Segen und Fluch in einer Demokratie zugleich. Aber ich will in nichts anderem Leben!

    Allerdings hast Du recht: Wenn ich mir mein Umfeld anschaue, wird es da ausser auf Druck durch Gesetze keine Änderungen geben. Ich schließe mich damit ein, denn liebgewordene Konsumgewohnheiten wirft man erst dann über Bord, wenn es gar nicht anders geht!
    Vielleicht sind wir hier im Forum schon ein bisschen weiter, weil wir durch das Wissen über Arten und Zusammenhänge auch mal z.B. unseren Garten naturnaher gestalten und mit diesen Erkenntnissen im Hinterkopf die bösen Blicke der dusseligen Nachbarn aushalten; aber die Welt retten wir dadurch nicht!

    Viele Grüße
    Burkhard

  • Hallo Zusammen,

    mich wundert das beim Insektensterben von ganz Deutschland die Rede ist, wo wir doch bis vor 30 Jahren zwei Gebiete mit verschiedener Umwelt- Agrar- und Industriepolitik hatten.
    Ich selbst habe eine unglaubliche Verbesserung der Umwelt erlebt, wenn aber nach den furchtbaren DDR Bedingungen jetzt die Insekten um 75% zurückgegangen sind – was ist dann los?

    Grüße, Thomas


    Hallo Sabine,
    -aus den Hamburger Umland- Du kommst dann ja aus den anderen Referenzgebiet und nennst ja viele Arten.
    Da ich als Schüler auch mal einige Zeit Insekten genadelt habe (die meisten habe ich auf den Schulweg, der Straße entlang, vom Verkehr erlegt, gesammelt) kann ich die Arten die ich vor einen halben Jahrhundert gefunden habe und die ich heute sehe vergleichen.
    Einige Massenarten(*) sind verschwunden oder weniger geworden aber etliche andere sind aufgetaucht die ich nur aus Büchern kannte: Aurorafalter, Feuerfalter, Widderchen, Zikaden die blauen Holzbienen, Pinselkäfer, Trauerrosenkäfer...
    Als Kind habe ich das Verschwinden der Ulmen noch miterlebt, auch da dürften etliche Insektenarten mit verloren gegangen sein. Jetzt gerade sind die Eschen am Sterben...

    (*) Jeden Frühsommer waren alle Weißdornbüsche der Umgebung kahlgefressen und eingesponnen,
    Rübenfliegen oder -käfer(?) geflügelte Blattläuse, die Fliegen auf den Kuhweiden ...


    << Vor wenigen Jahren gab es im Frühling noch Wollschweber, >>
    kannte ich als Kind nicht, jetzt jedes Frühjahr auf den blühenden Löwenzahn.

    <<Individuenzahl selbst von Fliegen scheint dramatisch >>
    Stimmt seit in Ort keine Kühe und Schweine mehr gehalten werden ist das deutlich weniger. Massenarten!

    <<Tagpfauenauge und Kleiner Fuchs waren mit die häufigsten >>
    Ja sind weniger geworden ich habe gesucht ob ich die schwarzen Raupen noch finde aber ich fand schon keine Brenneselwiesen mehr die ich von früher kannte. Der Mist wird nicht mehr am Feldrain gelagert, kein Stickstoff ... keine Schmetterlinge.
    Das erste Tagpfauenauge 2019 habe ich im Februar gesehen, ein halbes Dutzend aus Stall- und Kellerfenstern herausgelassen.

    <<Mähwahnsinn>>
    Kenne ich auch anders: Die zu DDR-Zeiten gemähte Wiesen (Hänge) sind jetzt verbuscht oder sogar mit Bäumen/Sträuchern bepflanzt.
    Wiesen werden wiedervernässt oder der Sukzession überlassen, dort gibt es nur noch Sauergräser und Binsen.

    <<Alle reden vom Insektensterben >>
    Nicht alle, manche auch von Borkenkäfern, Eichen-Prozessionsspinner, Miniermotte,Maikäfern oder Buchsbaumzünslern.

    Grüße
    Thomas


    Hallo Andreas,

    Sorry wenn ich Dich mit Fragen überhäufe aber wenn hat man mal die Möglichkeit jemanden zu Fragen der an der Quelle sitzt.

    Du schreibst es wurden „im Schnitt 5gr. pro Tag“ gefangen, wie in der Krefelder Studie, stimmt diese Angabe? Ich habe da andere Zahlen in Erinnerung.

    Wisst Du ob es Bestrebungen gibt auch ältere Untersuchungen auszuwerten? Solche Fallen wurden ja noch öfters eingesetzt ohne das komplett auszuwerten. Auch die Krefelder haben ja noch 'nen Zentner Insekten in Ethanol lagern. Sind diese Proben überhaupt noch auswertbar? Morphologisch oder per DNA wie es ja inzwischen auch versucht wird...

    Grüße
    Thomas

  • Hallo Thomas,
    die Krefelder hatten zum Schluss im Mittel 5gr. Biomasse.
    Wie die Krefelder ihre Proben lagern weiß ich nicht. Aber ich gehe davon aus, ähnlich wie wir. Und dann sind die Proben solange morphologisch und genetisch auswertbar, bis die Gefäße bei irgendeiner Katastrophe zerstört werden.
    Bei uns werden auch ältere Fänge sukzessive ausgewertet. Sind aber für das Phänomen "Insektensterben" nicht gut geeignet. Das wären sie nur, wenn man am gleichen Fallenstandort noch mal beprobt.

    In der neuen Publikation der TU München kann man nachlesen, das insbesondere Prädatoren mehr zurückgehen als Herbivoren. Also die Feinde der sogenannten Schadinsekten nehmen ab.

    kein Stickstoff ... keine Schmetterlinge stimmt so nicht. Die meisten Nahrungspflanzen der Schmetterlinge werden mittlerweile durch ein Zuviel an Stickstoff giftig für die Raupen.

    Grüße
    Andreas

  • wenn aber nach den furchtbaren DDR Bedingungen jetzt die Insekten um 75% zurückgegangen sind – was ist dann los?

    Hallo
    Für die Insekten gab es aber auch viele Vorteile. Wiesen und Brachflächen sind heute wiedervernässt, oder betonierte Gewerbegebiete. Manchmal auch Rasen und Kirschlorbeerbegrünte Wohngebiete.
    Früher waren die Ackerränder voller Blühpflanzen. Wir haben am Acker gewohnt! Die Blühpflanzen kenne ich jetzt nur noch von Bildern, es gibt nur noch Monokulturen bis zum Wegrand. In der DDR waren Gärten voller verschiedener blühender Obstbäume. Jetzt kommt das Obst teilweise per Frachter aus fernen Folienzeltanbaugebieten aus aller Welt. Die Obstbäume sind längst in Kamine gewandert und durch immergrüne Koniferen ersetzt. Die Insekten sind die Verlierer der Wiedervereinigung.

  • Hallo Andreas,
    danke erst einmal für Deine Antworten.


    die Krefelder hatten zum Schluss im Mittel 5gr. Biomasse.


    Nein das stimmt so nicht. In der Zusammenfassung der Radboud Universität ist von „average weigt … per day“ die Rede. Und das Diagramm zeigt ab ca. 2007 (Ausreißer 2011) Werte um 2Gramm.
    Auch im großen Artikel (Hallmann et al) erreichen nur die höchsten Werte für 2016 5Gramm, damit lassen ich keine 5Gramm Mittelwert errechnen.

    Und dann sind die Proben solange morphologisch und genetisch auswertbar, bis die Gefäße bei irgendeiner Katastrophe zerstört werden.

    Sehr schön. Ich kenne es von Pflanzen das die Farbstoffe im Ethanol wandern / extrahiert werden und hätte vermutet das es bei Insekten ähnlich ist und abfallende Schuppen alles verkleistern. Bin ich mal gespannt ob man demnächst mehr erfährt.


    Sind aber für das Phänomen "Insektensterben" nicht gut geeignet. Das wären sie nur, wenn man am gleichen Fallenstandort noch mal beprobt.

    Hallmann et al haben auch solche einmalige Messungen verwendet.
    Wenn man einige Kennwerte hat sollte man da doch schon was sagen können. Hast Du ja auch gemacht wenn Du sagst „das sind die Werte der Krefelder Studie zum Schluss“, nur das da eben was nicht passt.

    kein Stickstoff ... keine Schmetterlinge stimmt so nicht. Die meisten Nahrungspflanzen der Schmetterlinge werden mittlerweile durch ein Zuviel an Stickstoff giftig für die Raupen.

    Das habe ich auch bitteschön nicht geschrieben sondern <<Tagpfauenauge und Kleiner Fuchs waren mit die häufigsten >> zwei Arten genannt deren Raupen ich auf Brennesseln kenne die z.T. im Mist wuchsen. Mehr Stickstoff geht nicht.

    Soweit für heute, Grüße Thomas

  • Bestes Beispiel, Greta die junge
    Umweltaktivistin.

    Das denkst doch nicht wirklich?

    Greta ist ein bedauernswerter, nicht geistig auf der Höhe und von ihren Eltern
    manipulierter und ausgenutzter Teenager.
    Das alles für ein wenig Geld und Publicity.
    Ich denke, dass sie in der Schule oder betreuten Einrichtung besser aufgehoben wäre.

    Liebe Grüße
    Frank

    Die meisten Menschen wissen gar nicht,
    wie schön die Welt ist,
    und wie viel Pracht in den kleinsten Dingen,
    in irgend einer Pflanze, einem Stein, einer Baumrinde oder Birkenblatt sich offenbart.

    Rainer Maria Rilke (1875-1926)

  • Lieber Siggi,

    den Worten von Frank schliesse ich mich voll und ganz an. Sorry about.

    LG Lothar

    Also noch einer, der sich ein Armutszeugnis ausstellt.

    Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken; sie beleuchtet stets nur das Stück Weg, das wir bereits hinter uns haben. >Konfuzius<

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!