Ist dies ein Rotklee-Bläuling(Polyommatus semiargus)?

  • Servus zusammen,

    diesen Bläuling habe ich Ende Juni im Stubaital im Gebiet des Elferkogels auf ca. 1700 Metern Meereshöhe fotografiert. Ist dies ein Rotklee-Bläuling(Polyommatus semiargus)?


    Von diesem Bläuling habe ich noch ein weiteres Foto, das etwas von der Flügelunterseite zeigt; dieses Foto zeigt m.E das gleiche Individuum wie die obigen Fotos: die Bilder sind im Abstand von nur wenigen Minuten entstanden, die Originalbildnummern zeigeneinschl. weiterer Fotos von diesem Bläuling eine durchgehende Durchnummerierung ohne Unterbrechung; weiter zeigen sich auf den Fotos auf der Flügeloberseite gleich aussehende Macken.


    Vielen Dank und liebe Grüße
    Klaus

  • Lieber Klaus,
    in diesem Fall sehr schwierig. Es bleiben eigentlich nur Cyaniris (Polyommatus) semiargus oder Cupido minimus. Für beide wäre dann aber die Punkte auf Hinterflügel-Unterseiten aberrativ. So sieht ein Cyaniris semirargus mit regulärer Punktevereteilung aus:

    Bei deinem Falter fehlt der vordere Versatz der Punkte, die Punkte am hinteren Versatz (gelb) sind überhaupt nicht vorhanden. Cupido minimus ist wirklich sehr, sehr klein (daumennagelgroß) und hat noch einen winzigen Punkt an der grün markierten Stelle. Im Vergleich zur rosa Blüte ein eher größerer Bläuling, was den Rotklee-Bläuling wahrscheinlicher macht.

    Verworfen habe ich auch den Polyommatus icarus, Weiblichen, in der forma icarinus (ohne Basalpunkt) auf der Vorderflügelunterseite, weil da wieder die orange Flecken auf der Hinterflügeloberseite fehlt.

    Wäre mal ein Fall fürs Lepiforum.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Liebe Sabine,
    Danke für Deine ausführliche Antwort.
    Von der Größe her gesehen war mein Bläuling kein auffälliger Winzling; also sollte C. minimus eigentlich keine echte Option sein.
    Warum muß eigentlich (zumindest gefühlt bei mir) immer alles so kompliziert sein? Warum können sich die netten Tierchen nicht einfach besser daran orientieren, wie sie nach allgemeiner Meinung standardmäßig auszusehen haben?
    Deinen Vorschlg, diesen Bläuling im Lepiforum nachzufragen, werde ich in den kommenden Tagen aufgreifen.
    Liebe Grüße
    Klaus

  • Cupido-Arten scheiden hier aus. Cupido hat immer eine graue Unterseite. Hier ist sie, wie es sich für einen Cyaniris semiargus gehört, braun. Die Punktierung der Unterseite ist aber sehr ungewöhnlich. Nun habe ich in meiner Falterzeit gelernt, dass die Punkte auf der Unterseite nicht zwingend stabil sind. Ich habe viele Bläulinge gesehen, deren Punkte vom üblichen mehr oder weniger stark abweicht. Meist in dem Maße, dass Punkte kleiner und größer sein können, teilweise fehlen oder mehrere Punkte auch zu Bändern zusammen fließen können, zuweilen auch verschoben sind. Und wenn man sich im Net Fotos von der Unterseite von C. semiargus anschaut, ist auch hier eine nicht zu unterschätzende Variabilität sowohl in der Anzahl, als auch in der Anordnung zu finden.

    Wenn ich jetzt mal davon ausgehe, dass es sich bei dem Tier um C. semiargus handelt, habe ich folgende Punkt:

    - die beiden "Abschlusspunkte" (von Sabine gelb markiert) fehlen -> das würde ich nicht für ungewöhnlich halten und finde bei Wikipedia gleich ein passendes Bild dazu:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Polyommat…)_semiargus.JPG

    - der Knick im großen Bogen (von Sabine rot markiert) macht mir da schon eher Kopfzerbrechen. Hier hätte dann schon eine deutliche Verschiebung der zwei Anfangspunkte erfolgen müssen. Aber einerseits gibt es auch hier im Net die passenden Bilder
    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…4838451787).jpg
    und andererseits ist die perspektive sehr unglücklich, so dass ich glaube, dass die Lage dieser beiden Punkte nur sehr schwer einzuschätzen ist.

    - leider kann man auf dem Foto die Größe nicht einschätzen. Cupido minimus ist mit 10 - 12 mm Vorderflügellänge aber merklich kleiner, als Cyaniris semiargus mit 14 bis 17 mm. Im Feld weiß ich sofort, ob Cupido oder Cyaniris, weil mir die Größenverhältnisse bekannt sind.

    Last but not least sind 1.700 m Höhe schon ein ziemlich extremer Standort, auch wenn C. semiargus laut Literatur über 2.500 m Höhe gefunden wird. Trotzdem ist dieser Standort einfach deutlich extremer, als das Tal oder gar die Ebene. Und in solchen extremen Standorten gibt es immer wieder Abweichungen vom Standard, was mit abiotischen Faktoren zusammen hängt.

    Mein Fazit: wir haben hier ein leicht aberratives Cyaniris semiargus Weibchen.

    Ich gebe aber zu bedenken, dass meine Falterzeit rund 30 Jahre her ist und ich an sich aus dem Thema raus bin. Meine Meinung ist also mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten. Vielleicht meldet sich Armin Hemmersbach ja noch mal.

    Viele Grüße
    Klaas

  • Hallo Klaas,
    vielen Dank für Deine ausführliche und sehr instruktive Antwort. Du hast Dir wieder einmal sehr viel Arbeit für mich gemacht.
    Bei meinem laienhaften Versuch der Bestimmung dieses Bläulings, die offensichtlich im Ergebnis gar nicht so falsch lag, sind mir die gegenüber Vergleichsfotos mitunter abweichenden Punkte auf der Flügelunterseite schon aufgefallen. Ich konnte diese Erkenntnis aber nicht bewerten, zumal ich diesen Bläuling zum ersten Mal gesehen habe (zumindest bewusst): was liegt da noch im "Normbereich" und was nicht. Da fehlt mir einfach das Detailwissen, aber auch die Erfahrung. Das war dann der Grund für meine Anfrage hier im Forum. Nun habe ich von Sabine und Dir eine eigentlich ziemlich stablie Meinung zu diesem Bläuling und könnte es dabei bewenden lassen. Für mich ist das eigentlich hinreichend geklärt; mein Vertrauen in Eure Fachkompetenz verbietet mir jeden Zweifel. Trotzdem werde ich, Sabines Rat folgend, nochmals im Lepiforum nachfragen; vielleicht werden von dort Eure verbliebenen minimalen Vorbehalte beseitigt; ich melde mich gegebenenfalls wieder. Bis zum Beweis des Gegenteils bleibt mein Bläuling für mich ein Weibchen von Cyaniris semiargus.
    Nochmals ganz herzlichen Dank und noch ein schönes Wochenende
    Klaus

  • Moin Klaus,

    wie am Ende meiner Ausführungen geschrieben, habe ich hier meine "Fachkompetenz" klar eingeschränkt. Wäre ich dabei gewesen, als die Fotos entstanden, hätte ich vermutlich gleich gesagt Cyaniris semiargus, weil der Falter sicherlich vergleichsweise groß war. Am Foto ist das aber was völlig anderes. Wer 'nen Falter, den er vor der Nase hat, bestimmen kann, kann dies noch nicht zwingend am Foto. Da sieht es oft anders aus, schon alleine, weil das Größenverhältnis völlig fehlt.

    Des Weiteren ist eine Bestimmung nur eine Meinung. Das bedeutet aber auch, dass es jedem frei steht eine andere Meinung zu haben. Soll heißen, dass man nicht nur äußern kann, sondern sollte, wenn man anderer Meinung ist. Egal wer bestimmt hat. Ich bin nicht frei von Fehlern. Und je länger man eine Sache macht, desto mehr neigt man dazu zuweilen oberflächlich hinzusehen. Habe ich bei mir erlebt, aber auch schon bei anerkannten Spezialisten. Natürlich sollte die andere Meinung begründet werden, damit man seine eigene überprüfen und ggfs. revidieren kann. Am besten auch gut begründet, soll heißen die Merkmale bestätigen und/oder andere, relevante Merkmale nennen. Naütrlich hast Du (noch) nicht die Erfahrung. Aber fehlende Erfahrung ist kein Grund davon auszugehen, dass man grundsätzlich falsch bestimmt. Also im Falle von Zweifeln immer nachfragen. Ich kann durchaus falsch liegen.

    Hier gibt es jetzt keine Meinungsverschiedenheit, weshalb Du meine Bestimmung als C. semiargus nur zu gerne annimmst, zu mal von Sabine noch mehr oder weniger unterstrichen. Aber Sabine hat nicht Unrecht mit ihrem Zaudern bezüglich der Anzahl und Anordnung der Punkte auf der Flügelunterseite. Ich wüsste nicht, dass ich das in meiner Falterzeit jemals gesehen habe. Aber so unendlich viele C. semiargus habe ich in der Zeit nicht gesehen, und schon gar keinen aus so luftiger Höhe. Der Vorteil eines Sammlers ist der halt der, dass ich raus gehe und viele Tiere einer Art sammle. Also nicht nach dem Motto "Ich muss sie alle haben", aber es wird, schon alleine wegen möglicher Variabilität eine kleine Serie mitgenommen, auch in Abhängigkeit der Populationsstärke. Bei meinen Käfern ist das zum Teil krasser, weil man da einfach Arten findet, die man im Feld einer Gattung zuordnen kann, aber die Artbestimmung funktioniert nicht. Da landen dann deutlich mehr in meiner Tasche, weil man möglicherweise nicht nur eine Art vor der Nase hat. Und auf diese Art und Weise sehe ich aus einem einzigen Biotop ein Vielfaches an Exemplaren im Gegensatz zum Fotografen, denn der wird nicht auch noch den 10. oder 20. Falter einer (vermeintlichen) Art fotografieren. Und auf diese Art und Weise kommt deutlich mehr Erfahrung innerhalb wesentlich kürzerer Zeit zustande. Kommt aber auch beim Fotografen, dauert halt nur etwas länger und ich denke, dass Du selbst merkst, dass Du in der kurzen Zeit, in der Du nun hier aktiv bist, einige Arten kennen gelernt hast und selber, sicher ansprechen kannst. Oder?

    Liebe Grüße
    Klaas

  • Warum muß eigentlich (zumindest gefühlt bei mir) immer alles so kompliziert sein? Warum können sich die netten Tierchen nicht einfach besser daran orientieren, wie sie nach allgemeiner Meinung standardmäßig auszusehen haben?

    Hallo Klaus,
    wenn`s dich tröstet:
    Es ist ganz bestimmt nicht nur bei dir so kompliziert.Du bist damit nicht allein!
    Bei meinen Nachtfalter-Bestimmungsversuchen kommen mir auch oft solche Gedanken.

    Und diese netten Tierchen/Pflanzen/Pilze oder was auch immer werden uns auch weiterhin oftmals (ver)zweifeln lassen,wenn es um ihre Bestimmung geht.
    Also: Halte durch! :D

    Viele Grüße
    Uwe

    "Leben ist nicht genug" sagte der Schmetterling."Sonnenschein,Freiheit und eine kleine Blume gehören auch dazu." (Hans Christian Andersen)






  • Hallo Klaas,
    vielen Dank für Deine aufmunternden Worte: es stimmt schon, dass ich in der doch relativ kurzen Zeit meiner Aktivität hier im Forum schon eine Menge an Arten kennengelernt und sie auch ansprechen gelernt habe. Eure Hilfestellungen dazu sind ja auch großartig; insbesondere die Antworten von Sabine und Dir (einschl. der jeweiligen ergänzenden Informationen, Grafiken und Begründungen) sind immer sehr hilfreich, nicht nur für den jeweiligen Einzelfall. Im Vergleich zu früher achte ich heute viel stärker auf möglicherweise wichtige Details und versuche auch diese im Foto erkennbar zu machen; leider gelingt dies nicht immer so wie gewünscht. Zum einen bleiben diese Tierchen nicht immer so ruhig sitzen/stehen, wie man sich das als Fotograf wünschen würde, zum anderen, und da sind wir wieder beim Thema Wissen/Erfahrung, stelle ich doch immer wieder erst im Nachhinein mal fest, welches Detail eigentlich noch bestimmungsrelevant gewesen wäre. Insgesamt habe ich aber doch dank Eurer Hilfe (zumindest subjektiv) einige Fortschritte bei Artbestimmungen gemacht, will heißen dass meine Fotos besser im Sinne von für die Bestimmung geeigneter geworden sind und dass ich öfter als früher etwas näher an die Lösung rankomme. Das alles, und darauf kommt es eben für mich auch an, macht mir sehr viel Spaß. Ich werde, wie bisher auch schon, bei Unsicherheiten/Fragen bei Euch im Forum nachfragen und mir hier Euren Rat einholen.
    Bis zum nächsten Mal liebe Grüße
    Klaus

  • Hallo Uwe,
    vielen Dank für Deine "tröstenden " Worte: geteiltes Leid ist halbes Leid. Ich werde es weiterhin ertragen, ich werde durchhalten und ggf. das Forum "gnadenlos" um Hilfe bitten.
    Liebe Grüße
    Klaus

    • So ist das richtig, lieber Klaus: sei gnadenlos! Zurückhaltung wäre in einem Fall wie diesem mehr als kontraproduktiv. Das würde niemandem nutzen - weder dem Fragesteller, noch dem Beantworter oder den Kommentatoren... :whistling:

    Die Menschheit gehört zur verrücktesten Spezies.
    Sie verehrt einen unsichtbaren Gott und zerstört die sichtbare Natur.
    Im Unbewussten darüber, dass diese Natur, die sie zerstören, der Gott ist, den sie verehren.

    -Hubert Reeves-

  • Lieber Klaus,
    ich muss an der Stelle auch nochmal sagen, dass ich das sehr wohl bemerkt habe: Du hast dir viele, kleine Hinweise worauf zu achten sein könnte zu eigen gemacht. Und sei es nur, durchlaufende Bildnummern zu beachten um sicherzustellen, dass es nicht etwa unterschiedliche Individuen sind. Aber es ist auch richtig: Was letztlich bestimmungsrelevant ist, ist meistens artspezifisch. Und man lernt ja aus der eigenen Erfahrung. Als ich bei meiner ersten Steinspanner-Anfrage im Lepiforum als Antwort bekam "Bestimmung nur mit Unterseitenansicht möglich", dann weiß man nächstes Mal bescheid.
    Na ja, nicht ohne Grund schreibe ich nicht selten vom "duellieren"; das heißt dann auch für mich immer, prüfen, prüfen, prüfen - und nicht selten mit einem Rest Bauchgrummeln.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

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