Raupen/Kokon unter Wasser im Bach => Köcherfliegenlarven Limnephilidae, Potamophylax spec.

  • Servus beieinander!

    Habe mich hier angemeldet, weil wir im Netz absolut gar nichts zu unserem Fund entdecken konnten.
    Und zwar:
    Standortbestimmung:
    Niederbayern
    in einer flachen Waldsenke, Mischwald.
    normal fliessender Bach, an dieser Stelle für ein paar 100 Meter naturbelassen, nix begradigt oder betoniert. Der Bach sucht sich in seinem breiten Tal offenbar bei jedem Hochwasser ein paar neue Kurven.

    Aus dem Wasser fischten wir ein paar Steine heraus.
    Nur an den dunklen, rauen Steinen (Schiefer?), welche unter Wasser im Sand steckten, waren auf der Unterseite (Also die im Sand vergrabene Seite) seltsame, harte Gebilde dran.
    Die meisten Dinger sind in etwa Bleistiftdick (6-7 mm) und 20 - 30 mm lang.
    Mit einer Seite am Stein "festgebissen". Die Dinger gehen wirklich schwer runter.
    An manchen handgroßen Steinen waren bis zu 30/40 Stück dran.
    Sehr hart.
    Sieht aus und fühlt sich an wie ein Holzsteckerl.
    Wir haben eins zerbrochen (ist wirklich wie Holz).
    In diesen "Kokon"(?) steckt eine weiße, ca. 2 - 3 mm dicke Raupe.
    An manchen Steinen waren auch kleinere "Kokons". Aber die meisten hatten die beschriebene Größe.

    Welche Raupe/Puppe/Kokon
    - Lebt in fliessendem Wasser?
    - Im Sand?
    - Beisst sich an Steinen fest?
    - verpuppt sich in dermassen festen, harten Kokons?

    Und vor allem: was werden das für Viecherl?


    Einmal editiert, zuletzt von Franz H (18. August 2017 um 10:53)

  • Oh, vielen Dank!
    Das ging aber fix!
    :23:

    Aber jetzt muss ich meinen begeisterten Jungs beibringen, dass das nur "Allerweltszeugs" ;) ist....

    Die hatten in Ihrer Begeisterung was Sensationelles vermutet.
    Nachdem wir dort auch schon Kröten und ähnliche, eher seltene Viecherl live erleben durften.

  • Hallo Franz,

    wie in den beiden vorigen Beiträgen bereits erwähnt, handelt es sich bei den Gebilden um köchertragende Köcherfliegenlarven (es gibt aber auch Köcherfliegen, die keine Köcher sondern Netze bauen). Eigentlich sind diese Köcher in der Allgemeinheit viel besser bekannt als die gefügelten Insekten, die nach einer Puppenruhe den Köcher verlassen, an die Wasseroberfläche schwimmen und dort die Puppenhülle als fertiges, geflügeltes Insekt verlassen. Die Köcherfliegenimagines werden wegen ihres ähnlichen Aussehens sehr gerne mit Kleinschmetterlingen verwechselt. Tatsächlich sind die Köcherfliegen und Schmetterlinge in der Entwicklungsgeschichte der Insekten aus gemeinsamen Vorfahren hervorgegangen und werden als Schwesterordnungen betrachtet.

    Die Bestimmung von Köcherfliegenlarven aufgrund der Bauart ihrer Köcher und des verwendeten Baumaterials ist nur eingeschränkt und nur bis zur Familie oder Gattung möglich, weil beim Bau der Köcher auf das Material zurückgegriffen wird, welches in dem betreffenden Gewässer gerade verfügbar ist. Im vorliegenden Fall kann man auf jeden Fall sagen, dass es sich um eine Köcherfliege aus der Familie Limnephilidae handelt und mit großer Wahrscheinlichkeit eine der fünf Arten aus der Gattung Potamophylax in Frage kommt. Wenn die gefundenen Köcher bereits fest mit den Steinen verbunden waren, hat die Larve den Köcher am Vorderende bereits verschlossen und die Puppenphase begonnen.

    Viele Grüße
    Jürgen

  • Hallo Franz

    Aber jetzt muss ich meinen begeisterten Jungs beibringen, dass das nur "Allerweltszeugs" ;) ist....

    Die hatten in Ihrer Begeisterung was Sensationelles vermutet.
    Nachdem wir dort auch schon Kröten und ähnliche, eher seltene Viecherl live erleben durften.

    Nix "Allerweltszeugs" ! Sag deinen Jungs ruhig, dass sie wirklich etwas Sensationelles entdeckt haben. Was soll daran denn nicht sensationell sein, wenn diese kleine Larven ihre Wohnungen selbst bauen. Auch im Kleinen können die Wunder der Natur überall und jederzeit beobachtet werden; und diese sind echt spannend :alright: .

    Viele Grüsse
    Sepp

  • Hallo zusammen,

    nachfolgend noch ein paar Bemerkungen zum Köcherbaumaterial von Köcherfliegen:

    Die Art und Weise der Partikelanordnung beim Köcherbau scheint genetisch fixiert zu sein, während das Baumaterial je nach Verfügbarkeit stark wechselt. Die Köcherformen sind daher auch innerhalb einer Art sehr unterschiedlich und ermöglichen nur in Ausnahmefällen eine taxonomische Zuordnung. So baut z.B. Limnephilus flavicornis die Fremdpartikel immer quer zur Köcherlängsachse ein, verwendet aber von Molluskenschalen über große Stängel- und Holzstücke bis hin zu feinen Pflanzenfasern jedes verfügbare Baumaterial. Der französische Künstler Hubert Duprat hat die Eigenschaft der Limnephiliden, jedes verfügbare Material für den Köcherbau zu verwenden, dazu benutzt, kleine "Kunstwerke" zu schaffen, in dem er ihnen in einem Aquarium Edelmetallpartikel und Perlen zurVerfügung gestellt hat. Die Ergebnisse - hier und hier zu sehen - werden möglicherweise unsere weiblichen Forumsteilnehmerinnen sehr ansprechend finden :D . Der in manchen Bestimmungsbüchern als charakteristisches Merkmal von Anabolia nervosa angeführte, lang vorstehende Halm am Hinterende des Köchers kommt auch bei sehr vielen anderen Limnephilden vor, andererseits kann A. nervosa auch reine Sandköcher bauen. Insofern sind Bestimmungstabellen, die nach dem Köcherbaugehen, unzuverlässig.

    Viele Grüße
    Jürgen

  • Lieber Jürgen,
    danke für diese wahnsinnig interessanten Ausführungen. Die Köcherbauten, die der französische Künstler provoziert hat, sind tatsächlich von unglaublicher Schönheit. Wenn die Köcher auch noch sehr hart sind (stand oben), dann würde ich mir daraus Schmuckstücke anfertigen lassen. Allen Ernstes.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Liebe Sabine,

    ja, ich finde diese Experimente auch faszinierend. Da die stillwasserbewohnenden Arten der Limnephilidae relativ einfach im Aquarium gehalten werden können, hatte ich auch schon einmal an einen solchen Versuch gedacht, aber leider habe ich keinen Juwelier gefunden, der mir bereitwillig seine Edelmetallabfälle überlassen hätte :D , auch nicht in der nahe gelegenen "Goldstadt" Pforzheim!

    Liebe Grüße
    Jürgen

  • Hallo Jürgen ,

    Das ist ja Spitze !

    Insbesondere die kunstvolle Anordnung der einzelnen Schmuckteilchen ,zeugen vom guten Geschmack dieser Larven. :D
    Daß die in der Lage sind ,glattes Metall wasserunlöslich zu verkleben ,verblüfft mich.

    Ein ganz prima Beitrag ! :thumbup:

    Jeder weiss was ,zusammen wissen wir viel und insgesamt wissen wir viel zu wenig !

  • .

    ich schließe mich der begeisterung von sabine und werner gerne an.

    die anordnung der schmuckteilchen im köcher finde auch ich faszinierend.


    danke für deine interessanten erklärungen und die beiden link`s

    -

  • Noch einmal hallo allerseits,

    natürlich findet man auch in Youtube unter dem Suchbegriff "Hubert Duprat" einige Videos zu diesem Thema. Hier noch ein abschließender Link, dann will ich es damit bewenden lassen: Caddis.

    Wenn die Köcher auch noch sehr hart sind (stand oben), dann würde ich mir daraus Schmuckstücke anfertigen lassen.


    @Sabine Flechtmann: Auf die Idee, daraus Schmuckstücke anzufertigen, ist man natürlich auch schon gekommen ;) : Kathy Kyle

    Viele Grüße
    Jürgen

  • Hallo,

    ja, auch das sind natürlich ebenfalls Köcher von Köcherfliegenlarven. In diesem Fall habdelt es sich offensichtlich um Puppenköcher, die vor der Puppenruhe fest mit der Unterlage verankert werden. Der Köcher auf dem Bild mit der Hand wurde bereits verlassen.

    Grüße Jürgen

  • Guten Tag,
    ohne Anrede und Gruß... scheint im Web immer mehr "Mode" zu sein. Schade eigentlich.
    Einen schönen Tag noch wünscht
    Sabine

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Ja, lieber Jürgen,
    in manchen Foren gibt es selbst den in zu vielen Fällen nicht mehr.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

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