Warum klammert sich die kleine Ameise an die Königin und welche Art(en) sind es? => wahrscheinlich Lasius niger; Verhalten wohl nicht abschließend zu klären...

  • Ich habe Kontakt zu jemanden auf Instagram, die interessante Beobachtungen mit Ameisen gemacht hat. Ich habe ihre Erlaubnis, ihre Fotos hier einzustellen, denn des Rätsels Lösung würde mich ebenso brennend interessieren...

    Und zwar klammert sich eine kleine Ameise an eine Königin.


    Die Angaben zu Habitat, Datum, Verhalten usw.:

    Es war am 07.07.2023 gegen 16:30 Uhr. Hamburg am östlichen Stadtrand, aber im Wohnbereich. Vor den Hochäusern ist ein mit Steinplatten gepflastetter Platz und auf dem Bürgersteig, da lagen und krabbelten unzählige dieser Ameisen herum. Manche hatten noch Flügel, manche nicht mehr. Eine Woche später in Hamburgs Norden war eine Königin in einem sandigen Grünbereich. Sie war damit beschäftigt ein Loch im Boden zu erweitern, um hineinzukriechen. Sie hatte auch eine kleine Ameise am Bein.


    Sowie:


    Ein Bild vom Sommer.

    An einem schwülen, heißen Nachmittag krabbelte am Boden viele solcher großen Ameisen herum. Es könnten Königinnen von Lasius niger sein, oder eine ähnliche Art.

    Einmal saß an der Hauswand auch ein Pärchen. Das Männchen war wesentlich kleiner, geflügelt und befand sich in Kopulationsstellung. Bis dahin alles klar.


    Was mir unklar ist:

    An mehreren Königinnen hingen einzelne kleine Ameisen. Sie schienen sich krampfhaft festzuhalten, meistens an einem Bein.

    1) Sind es fremde Ameisen, welche die Königin angreifen? Dagegen spricht dass ich nicht gesehen habe, dass mehrere kleine Ameisen die große Königin angreifen. Es waren nur Einzeltiere, die sich eher passiv festhielten.

    2) Oder verliert das Männchen auch nach der Hochzeit seine Flügel?

    3) Oder nimmt die Königin eine Arbeiterin mit, welche ihr im neuen Nest helfen soll?


    Hier die zwei Fotos:





    Viele Grüße

    Addi

    _______________________________________________________________________________________________________________________


    "In den kleinsten Dingen

    zeigt die Natur

    ihre größten Wunder."


    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • Liebe Adelheid,

    eine interessante Beobachtung. Sehr auffällig finde ich die vollkommen unterschiedliche Größe.

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,

    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.

    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • Sehr auffällig finde ich die vollkommen unterschiedliche Größe.

    Allerdings!


    Hier ist noch ein Foto von der Kopula. Die Größenunterschiede sind schon krass!


    Viele Grüße

    Addi

    _______________________________________________________________________________________________________________________


    "In den kleinsten Dingen

    zeigt die Natur

    ihre größten Wunder."


    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • Also...,


    bezogen auf die vielen Ameisen, teilweise mit, teilweise ohne Flügel, haben wir es mit einer sogenannten "Massenaggregation" zu tun. Ein tolles Wort, für nichts einfacheres, als den Hochzeitsflug der Geschlechtstiere. Männchen und Weibchen begeben sich mit Hilfe ihrer Flügel in die Luft und paaren sich. Die Königinnen landen auf dem Boden und verlieren, nach vollzogener Paarung, recht schnell ihre Flügel. Der Vorgang kann sowohl passiv, als auch aktiv erfolgen. Die Männchen sterben nach der Paarung. Sie verlieren ihre Flügel nicht.


    Die Tiere, die hier fotografiert wurden, gehören zu Gattung Lasius. Im Pflaster der Wege und Höfe befindlich, ist es am ehesten Lasius niger. Nicht 100% sicher, aber wir nähern uns der Sicherheit sehr stark. Die Fotos betrachtend, sollte auffällig sein, dass die Männchen der Lasius-Arten sehr viel zierlicher, länglicher ausfallen, als die Arbeiterinnen. Das heißt, es wird klar, dass die zwei Tiere auf den ersten beiden Fotos, keine Männchen, sondern Arbeiterinnen sind. Lasius niger ist eine Art mit claustraler Koloniegründung. Das bedeutet, dass die Königin sehr große Reserveorgane besitzt und ihre Kolonie in einem abgeschlossenen Raum gründet. Sie hat so viele Reserven mitgebracht, dass sie die ersten Larven alleine mit ihren Reserven aufzieht und den Raum nicht verlassen muss, um Nahrung zu suchen. Sie benötigen also auf keinen Fall die Hilfe einer oder mehrerer Arbeiterinnen für die Nestgründung. Das Klammern an die Beine kann also eigentlich nicht in diesem Zusammenhang betrachtet werden.


    Eine Erklärung für dieses Verhalten der Arbeiterin habe ich nicht finden können. Ich kann mir nur denken, dass Arbeiterin und Jungkönigin demselben Nest entstammen. Das wiederum würde bedeuten, dass sie beide zum Zeitpunkt des beendeten Hochzeitsflugs, noch denselben "Stallgeruch" besitzen. Die Jungkönigin ist möglicherweise nach dem Hochzeitsflug in relativer Nähe zum Nest ihrer Geburt gelandet, wo eine Arbeiterin sie entdeckt hat. Da die Arbeiterin von ihrer Königin abhängig ist, erlag sie möglicherweise dem Irrtum, dass die Altkönigin das Nest verlassen hat. Als logische Konsequenz daraus, versucht sie möglicherweise die Königin davon abzuhalten, das Nest zu verlassen und klammert sich letzten Endes, weil nicht in der Lage die deutlich größere und stärkere Königin aufzuhalten, an dieser fest. Auf der anderen Seite erfolgen 25% der Koloniegründungen bei Lasius niger durch mehrere Königinnen. So gesehen bestünde die Möglichkeit, dass sich die beiden irgendwie arrangieren und die Nestgründung ausnahmsweise mit Hilfe einer Arbeiterin erfolgt. Ich muss aber gestehen, dass ich das für eher unwahrscheinlich halte.


    Ich kann im Endeffekt keine vernünftige Erklärung für das Verhalten liefern und nur eben nur spekulieren.


    Liebe Grüße

    Klaas

  • Vielen Dank, Klaas, für Deine ausführliche Erklärung. Es scheint so, als würde das Verhalten der Arbeiterin ein Rätsel bleiben, obwohl ich Deine Vermutung gerne glauben würde.

    Viele Grüße

    Addi

    _______________________________________________________________________________________________________________________


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    zeigt die Natur

    ihre größten Wunder."


    Carl von Linné (1707 - 1778)

  • Addi

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  • Addi

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  • Hallo,


    was kann ein Ameisenvolk am wenigsten gebrauchen: Die gleichartige Konkurrenz in direkter Nachbarschaft. Folglich stellt eine auf selbständige, klaustrale Gründung bedachte Gyne mit ihren Reserven eine lukrative Beute dar, auch wenn sie sich vorher vielleicht mit einem Bruder der attackierenden Arbeiterin gepaart hat oder gar deren Schwester ist.


    Viele Grüße


    Ziegelstein

    "Ah, connections, Son. That's the fateful key that Harriet missed, the key to understanding the natural world."

    Father Worm in "There's a Hair in My Dirt! - A Worm's Story" by Gary Larson.

  • Müssten dann nicht mehr Arbeiterinnen an ihr hängen? Eine alleine wird doch nicht so viel ausrichten können... :/

    Viele Grüße

    Addi

    _______________________________________________________________________________________________________________________


    "In den kleinsten Dingen

    zeigt die Natur

    ihre größten Wunder."


    Carl von Linné (1707 - 1778)


  • Müssten dann nicht mehr Arbeiterinnen an ihr hängen? Eine alleine wird doch nicht so viel ausrichten können... :/


    Nicht zwingend. Aber wenn die Arbeiterin auf Beute aus ist, müsste sie entsprechend die Königin malträtieren. Da wäre dann nichts mit still halten und ins Bein verbeißen. Sie würde wohl eher sehr aktiv versuchen das Bei durchzutrennen, um die Beute dann weiter zu zerlegen. Also, aus meiner Sicht eine mögliche Theorie, aber in etwa so wahrscheinlich, wie meine Ideen. ;)


    Liebe Grüße

    Klaas

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