1 cm: Mikros durchs Makro. Folge 4: Baum- und Bodenwanzen

  • Liebe Naturfreunde,
    heute gibt es die 4. Folge, und ich möchte mit einem Zitat des Forumsgründers aus einem anderen Beitrag beginnen: "Oh Gott, sind das Wanzen?" Sicher war das eher humorvoll gemeint, aber bei Wanzen kommt doch sofort die Bettwanze in den Sinn. Überhaupt scheint es, dass Wanzen in der Beliebtheitsskala etwa bei den Kopfläusen einzuordnen sind:cheesygrin:. Was irgendwie schade ist, weil sie überaus formenreich und farbenprächtig sein können.

    Ich breche daher eine Lanze für die Wanze und möchte Euch ein paar Baumwanzen (Pentatomidae) vorstellen. Es soll weltweit mehr als 6000 Baumwanzenarten geben, ca. 70 Arten leben in Mitteleuropa. Einige Baumwanzen gelten als Schädlinge, andere widerum als Nützlinge, weil sie Schädlinge aussaugen. Einige Wanzenarten haben Drüsen, mit denen sie meist stinkenes Sekret abgeben können.

    Ich nähere mich solchen Themen völlig unwissenschaftlich, einfach nur weil ich wissen will, was ich fotografiert habe. Deshalb hat mich anfangs auch restlos irritiert, dass völlig unterschiedlich aussehende "Gestalten" doch wieder den gleichen Namen bekamen. Das erklärt sich dadurch, dass Wanzen in ihrer Entwicklung 5 Larvenstadien durchlaufen, bevor sie zum geschlechtsreifen Tier auswachsen. Diese Entwicklungsstufe heißt dann "Imago" (Plural Imagines).

    Ach ja, bei den Imagines dürft Ihr heute mal etwas großzügiger sein, sie sind häufig doch größer als 1 cm.

    Baumwanze Beerenwanze, Dolycoris baccarum
    Ein farbenprächtiger Vertreter mit dunkelrosa-violetter Farbe, das feste Rückenschild aus Chitin ist braun, die Spitze des Rückenschildes läuft hell aus. Die weicheren Spitzen der Flügel (Membran) sind braun gefärbt. Die Fühler und der Rand des Körpers sind schwarz-weiss gestreift. Erwachsene Tiere - wie das gezeigte - werden 10 - 13 mm groß. Die Beerenwanze lebt auf Himbeeren, Brombeeren und Disteln. Diese hier habe ich in Österreich fotografiert, aber ich habe sie auch schon im eigenen Garten gesehen.

    Baumwanze Purpur-Fruchtwanze, Carpocoris purpureipennis
    Die Purpur-Fruchtwanze soll eigentlich an Doldenblütlern leben, ich habe sie in einem Brombeergebüsch gefunden. Erwachsene Tiere werden 11 - 14 mm groß. Sie hat noch eine Schwester, die Nördliche Fruchtwanze, die sich nur in der Farbe unterscheidet. Während die Purpur-Fruchtwanze rostbraun ist, soll ihre Schwester mehr oliv-gelblich sein, jedoch auch bis zu rostrot ausfärben.

    Bodenwanze ohne deutschen Namen, Orsillus depressus
    Die nächste Wanze gehört zu den Bodenwanzen. Die Größe des Imago wird mit 7 - 8,5 mm angegeben. Schon toll, dass hier sogar Zehntelmillimeter bemüht werden. Lebt auf Scheinzypressen, Lebensbäumen und Wacholder. Das paßt, Lebensbäume habe ich im Garten. Dort betätigt sie sich als Pflanzensauger und Tarnkünstler. Zum Fotoshooting hatte sie sich allerdings am Fenster meines Arbeitszimmers eingefunden, leider für mich kleine Person etwas arg hoch, so dass das Bild leider etwas unscharf ist. Interessant ist, dass es hier um eine mediterrane Art handelt, die erst seit 1971 in Deutschland aufgetreten ist.

    Baumwanze Grüne Stinkwanze, Palomena prasina
    Sie ist die einzige Wanzenart, von der ich Fotos aus mehreren Entwicklungsstufen habe. Zunächst das Larvenstadium III. Da war sie wirklich noch sehr klein und vielleicht gut 5 mm groß. Sie saß an meiner Rose und durfte für Testbilder mit meiner damals neuen Digitalkamera posieren.

    Die nächsten beiden Fotos zeigen auch Larven, leider habe ich nicht herausgefunden, zu welchem Stadium sie gehören.

    Das letzte Foto zeigt die Grüne Stinkwanze als erwachsenes Tier, das 12 - 14 mm groß wird. Sie lebt als Pflanzensauger an Himbeeren, Brombeeren, Brennesseln und Gebüschen. Sie hat übrigens den lustigen Volksnamen "Faule Grete", deren Herkunft ich nicht herausfinden konnte. Aber spekulieren darf man: wenn man nach dem Begriff "Faule Grete" googelt, erfährt man, dass im 30-jährigen Krieg Geschütze Namen erhielten. So auch ein Monstergeschütz, für dessen Transport 24 Pferde notwendig waren. Und das nur drei Geschosse pro Tag abgeben konnte, weshalb es den Namen Faule Grete erhielt. Vielleicht heißt unsere Wanze deshalb so, weil sie bei Gefahr ein Stinksekret ab"schießt".

    Baumwanze Rotbraune Baumwanze, Pentatoma rufipes
    Als vorletztes möchte ich Euch ein Foto der Rotbeinigen Baumwanze im 5. Larvenstadium zeigen. Hier wurde sie auch nur knapp 1 cm groß. Die erwachsenen Tierchen hatte ich Euch schon mal im Beitrag Zwei sind genau richtig gezeigt.

    Baumwanze Streifenwanze Graphosoma lineatum
    Sie soll für heute die letzte sein, und ich habe sie wegen ihrer leuchtenden Farben ausgesucht. Mußte allerdings mein "Papierarchiv" bemühen und sie einscannen, deshalb auch die mäßige Qualität. Ich hatte sie zahlreich an sonnigen, warmen Hängen 1994 in der Rhön gefunden. Sie kommt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und mit zunehmender Klimaveränderung dehnt sich ihr Verbreitungsgebiet immer weiter nach Norden aus. Vergangenes Jahr hatte ich sogar eine im Garten, aber die war wohl als "blinder Passagier" eingereist. Sie wird übrigens 8 - 12 mm groß.

    Ich hoffe, ich habe Eure Geduld nicht allzu sehr auf eine harte Probe gestellt. Da ich noch weitere Wanzenfotos habe, wird es eine weitere Wanzenfolge geben.

    Einen schönen Tag noch für alle und
    liebe Grüße Sabine

    Liebe Grüße Sabine


    Ich verstehe nicht, dass wir unseren wunderbaren Planeten umbringen,
    aber zum unwirtlichen Mars fliegen wollen.
    Franz Viehböck (*1960, bisher einziger Weltraumfahrer Österreichs)

  • HI!

    Mhm....das Verbreitungsgebiet dehnt sich immer weiter nach Norden aus? Na Herrzlichen Glückwunsch an die Wanze, nach Schleswig-Holstein hat sies schon geschafft. An Straßenrändern auf Wiesen-Kerbel kommt die hier vor^^.


    mfg Jule

  • Hi Sabine,

    sehr sehens- und lesenswerter Beitrag - vielen Dank dafür!
    Hat richtig Spaß gemacht, zu lesen.:cheesygrin:

    Lieber Gruß
    und ein schönes Wochenende,
    Meinhard

    Die Menschheit gehört zur verrücktesten Spezies.
    Sie verehrt einen unsichtbaren Gott und zerstört die sichtbare Natur.
    Im Unbewussten darüber, dass diese Natur, die sie zerstören, der Gott ist, den sie verehren.

    -Hubert Reeves-

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